Langos, Baumstriezel und jede Menge Ungarn #Tag 39 bis 41

Nachdem wir nur so kurz in Slowenien waren, haben wir sehr schöne Etappen durch Ungarn gehabt. Manchmal waren wir uns nicht ganz sicher, ob wir wirklich im Ausland unterwegs sind…

Dienstag: Über Nacht sind etliche Ameisen und andere Insekten über unsere Fahrradtaschen geklettert und haben auch irgendwie den Weg zu der Tüte mit dem restlichen Gemüse gefunden… es dauert eine Weile, die komplette Tasche auszuräumen und alles Gekrabbel abzupflücken. Alles zusammengepackt stellen wir freudig fest, dass wir für heute eine Zusage bei warmshowers bekommem haben. Direkt am vorderen Ende des Plattensees (Balaton) – nicht ganz 70 Kilometer für den heutigen Tag. Also treten wir bei allerschönstem Sonnenschein ordentlich in die Pedale. 

Eine sehr schöne hügelige Wiese haben wir uns ausgesucht… es ließ sich aber trotzdem einigermaßen gut schlafen. Abenteuerlich eben.. 😀

Jedoch haben wir ein Problem: kein Frühstück ist in Sicht… Die ersten Orte durch die wir fahren sind entweder zu klein, um einen Supermarkt oder eine Bäckerei zu haben, oder diese sind geschlossen. Wieder merken wir, dass wir den deutschen Verhältnissen sehr nahe sind (und das ist nicht unbedingt vorteilhaft).

Eine wunderschöne Farbenpracht! Felder mit rot blühendem Klee, Raps und verschiedenem Getreide ziehen an uns vorbei.

Zum Glück haben wir in unserer Notreserve diverse Energieriegel dabei, von denen wir uns jeder einen genehmigen. Fast 30 Kilometer und einige kleine Orte später kommen wir in Bak an, in dem es endlich einen ABC-Supermarkt gibt. Auf einer Bank vor einer interessant konstruierten Stadthalle lassen wir uns ein großes Radlermüsli schmecken. Das wurde auch höchste Zeit!

Fast schon sehnen wir uns nach Schatten! Es ist ziemlich warm geworden…
Schick sieht sie aus, die Stadthalle von Bak.

Mit vollem Magen radelt es sich deutlich besser! Das gute Wetter hält an, sodass wir bis zum Mittag gut durchradeln. Die Landschaft besteht weiterhin größtenteils aus Feldern abgewechselt von kleinen Waldstücken. „Das könnte wirklich bei uns zu Hause um die Ecke sein!“, meint Leon.

Gegen Mittag erreichen wir dann unser Tagesziel. Keszthely, der erste größere Ort direkt am Balaton. Sehr herausgeputzt und touristisch ist die Stadt sehr schön anzusehen und natürlich treffen wir hier jede Menge Österreicher. Allerdings haben wir uns ein wenig zu früh gefreut. Wir suchen die Adresse und nachdem wir in einem vollgestopften kleinen Souvenirshop nachgefragt haben stellen wir fest, dass wir noch einen Ort weiter müssen, der allerdings nahtlos mit diesem hier ineinander übergeht.

In Gyenesdiás finden wir schließlich das richtige Haus. Nur wenige hundert Meter vom See entfernt ist das Grundstück deutlich größer, als wir erwartet haben. Miklos und seine Familie wohnen hier und wir entschließen uns dazu, unser Zelt in dem wirklich großen und gut gepflegten Garten aufzuschlagen. Dann hält uns aber fürs erste nichts mehr und wir suchen hungrig etwas zu Essen. Uns wurde ein Imbiss empfohlen, der Langos verkauft, eine ungarische Spezialität. Also bestellen wir uns jeder eine der von Fett triefenden Köstlichkeiten, die aus fritiertem Teig bestehend, belegt mit Rahm und viel Käse wirklich super für eine Fahrradtour sind.

Dann heißt es nur noch: Ab in den See! Herrlich kalt ist der Balaton zu dieser Zeit. Wie wir später erfahren, erreicht er aber im Sommer bis zu 27 Grad Wassertemperatur, da er sehr flach ist… nicht die Abkühlung, die wir jetzt genießen können.

Vor uns liegt ein ganzer Nachmittag, an dem Leon zur Abwechslung mal endlich sein Buch weiter lesen kann. Das ist bisher viel zu kurz gekommen (siehe Halbzeitstatistik). Unterdessen vervollständigt Vincent den neuen Blogeintrag. Die Sonne brutzelt etwas zu stark, was wir später feststellen müssen. Leon legt sich früh mit einem Sonnenstich ins Zelt und kann den Abend nicht mehr genießen. Zuvor kocht er jedoch noch das Abendessen – ganz simpel Nudeln mit Pesto, da keiner von uns noch Lust hatte, einkaufen zu gehen. Draußen wird es jetzt unerträglich, weil ein ganzes Heer von Mücken auftaucht. Vincent hält es auch nicht mehr lange aus. Der halbe Pausentag hat uns fast mehr aus der Bahn geworfen, als dass er Erholung gebracht hat… trotzdem war er sehr schön!

Was für ein herrlicher Garten! Nur die Mücken am Abend geben einen kleinen Abzug..

Mittwoch: Wir wachen im immer wärmer werdenden Zelt auf, Zeit sich aus den Schlafsäcken zu schälen und anzuziehen! Obwohl es noch vor sieben Uhr morgens ist, hat die Sonne schon so eine Kraft, dass man sich den Schlafsack fast sparen kann. Wir merken jeden Tag mehr, wie es Sommer wird. Ein schönes Gefühl!

Während Leon schon den zweiten Tag in Folge jede freie Minute zum lesen nutzt (das Lesefieber hat ihn nach sechs Wochen ohne jegliche Buchstaben endgültig unaufhaltsam gepackt), unterhält sich Vincent noch kurz mit der Miklos Frau, die ihm mit Kaffee und Honig den Morgen versüßt. Dann verabschieden wir uns von der Familie und fahren zum Supermarkt, um Frühstück zu besorgen.

Vor einem bedauerlicherweise leeren Skatingplatz finden wir eine ideale Frühstücksbank.

Da wir gestern eine entspannte Etappe von knapp 70 km hatten, müssen wir heute etwas mehr auf die Tube drücken. Unser Tagesziel ist, soviel wie möglich aber auf jeden Fall über 100 km. Zum Glück ist die heutige Strecke ziemlich flach und wir fahren die meiste Zeit am idyllisch gelegenen Plattensee entlang. Zu unserer Freude gibt es um den gesamten Plattensee eine ausgeschilderte Radstrecke, die zu großen Teilen auch einen eigenen, gut ausgebauten Radweg besitzt.

Ein toller Radweg direkt am See entlang.
Zwar zwei Tage zuvor aufgenommen, doch diese Schilder finden wir hier überall.

Zwischendurch kürzen wir immer mal wieder auf der Straße ab, da der Radweg ein paar Umwege weg vom See macht, um wenige Kilometer später wieder am Ufer entlang zu führen. Zum Fahren bestimmt schöner, allerdings auch länger. Doch auch die Straße hier ist wenig befahren und gut geeignet zum Strecke machen. In so ziemlich jedem Ort, den wir durchqueren, sehen wir deutsche Schilder wie z.B. „Zimmer frei“ oder „Apartment mieten“. Man merkt deutlich die deutschen Einflüsse der vielen Touristen hier in diesem Gebiet. Denn vor allem in Zeiten der DDR gab es viele Menschen, die hier ihren Urlaub verbrachten. Aber auch heute treffen wir noch einige Deutsche sowie Österreicher.

Bestens ausgeschilderter Fahrradweg um den Plattensee herum (ungarisch: Balaton-See).

Nicht nur an dem gut ausgebauten Fahrradweg, sondern auch an den vielen auf den Radtourismus eingestellten Imbissbuden und Cafés am Wegesrand merken wir wie Radfahren hier boomt. Das erfreut uns natürlich sehr, doch wir merken auch an einigen geschlossenen Gaststätten, dass die Hochsaison anscheinend noch nicht gestartet hat.

Fahrrad-Tankstelle vom Feinsten.

Um die Mittagszeit wollen wir uns dann im nächsten Ort nach etwas Essbarem umschauen, doch der dortige Supermarkt scheint pleite gegangen zu sein und am Strand ist bis auf ein paar Fast-Food Buden noch alles geschlossen. Also haben wir keine andere Wahl, als mit knurrendem Magen 10km bis zum nächsten Ort zu fahren und dort auf eine bessere Versorgung zu hoffen. Und tatsächlich, wir werden fündig bei einem Mini-Supermarkt mit Stühlen und Tischen vor der Tür!

Nach gut 70 km finden wir endlich einen kleinen Laden und schlagen erstmal richtig zu.

Nachdem wir uns mit genügend Kalorien für die zweite Tageshälfte befüllt haben, geht es an den Strand zur Toilette. Dort treffen wir auf einen Österreicher, der mit dem Motorrad unterwegs ist und uns erzählt, er sei früher ebenfalls mit dem Rad durch Südosteuropa gefahren. Doch nun würde er das motorisierte Zweirad doch einem Fahrrad vorziehen, da es nun mehr seinem Alter entspräche. Wir müssen kurz wieder an den 73-jährigen Amerikaner denken, den wir vor zwei Tagen in Slowenien getroffen haben.

Ein schon fast zu perfekter Fahrradweg, man sollte vor der Kurve auf jeden Fall auf 10 km/h abbremsen!

Weiter führt uns der Weg am See entlang, bis wir schließlich nach schon fast 100 Tageskilometern das Ende des Plattensee erreichen. Nun heißt es Abschied vom Balaton, doch angesichts eines Abends mit weniger Stechmücken fällt unser diese Verabschiedung nicht allzu schwer. Wir fahren noch eine gute Stunde in den Abend hinein und genießen das warme Licht der tief stehenden Sonne. Diese Nacht wollen wir wieder mal unser Zelt in der Natur aufschlagen, doch das gestaltet sich auf den zweiten Blick als gar nicht so einfach. Denn die Landschaft um uns herum ist bis auf den letzten Quadratmeter hocheffizient bewirtschaftet und wir könne bis zum Horizont kein brachliegendes Feld ausmachen. 

Im Abendlicht fahren wir auf der Suche nach einem geeigneten Zeltplatz auf einer leergefegten Straße und sammeln noch fleißig Kilometer.

So fragen wir schließlich in einem Ort die Nachbarn einer unbebauten Wiese, ob wir dort zelten könnten. Unsere bewährte Notfallmethode. Die Frau gibt uns zu verstehen, dass dies absolut kein Problem sei. So schieben wir unsere Räder auf die etwas hügelige Wiese und während Vincent das Zelt aufschlägt fängt Leon an zu kochen. Heute gibt es Süßkartoffeln mit Auberginen-Paprika-Tomaten Pfanne. Sehr lecker!

Nach über 120 km schmeckt einfach alles, aber das heutige Essen ist sogar besonders lecker!

Kurze Zeit nachdem wir das Zelt aufgeschlagen haben, kommt nochmal unsere heutige Nachbarin an den Zaun und gibt Leon Bescheid, dass diese Wiese bis September frei sei. So lange haben wir dann doch nicht vor zu bleiben, doch Leon dankt trotzdem lächelnd für diese außerordentlich hilfreiche Information.

Umgeben von Häusern etwas abgeschirmt von der Straße wird heute gespeist und geschlafen.

Donnerstag: Offensichtlich hat Vincents Inspektion des Untergrundes am Abend wohl doch nicht volle Dienste geleistet, denn zumindest Leon hatte keine wirklich geruhsame Nacht. Ein lästiger Erdhaufen hat sein Bett für diese Nacht etwas unkomfortabel gemacht. Aber was solls, wir sind auf Fahrradtour, da gehört sowas eben dazu. Wir packen alles zusammen, inklusive des Müllbeutels den Leon diese Nacht schlauerweise außerhalb des Zeltes direkt auf einem Ameisenhaufen platziert hat. Dann verlassen wir die unebene aber schöne Wiese, unsere Nachbarin wird sich bestimmt wundern, dass wir nun doch schon nach einem Tag unser Zeltlager wieder aufgeben. Wir fahren die ersten 10 km bis in den übernächsten Ort, wo wir glücklicherweise direkt an einer geöffneten Bäckerei vorbeifahren. Dort decken wir uns fürs Frühstück ein und finden im nahgelegenen Park eine schöne Bank.

Da wir eine Bank im Schatten ergattert haben, machen wir zur Abwechslung mal wieder Tee zum aufwärmen.

Wo wir vor allem im Balkan aber auch in Kroatien an jeder Ecke in jedem noch so kleinen Ort eine Bäckerei oder einen Lebensmittelladen vorgefunden haben, scheint es im ländlichen Ungarn etwas schwieriger Backwaren oder generell kleine Supermärkte zu finden. Ein weiteres kleines Indiz dafür, dass wir uns Deutschland nicht nur geografisch immer weiter nähern. Auch was das Radwegenetz angeht, ist Ungarn in einigen Teilen mindestens schon auf deutschem Stand. Wir sind auf unser heutigen Etappe nach Budapest des öfteren begeistert von der wirklich toll ausgebauten Fahrradwege-Infrastruktur. Und das, obwohl wir uns nicht mehr in der sehr touristischen Gegend des Plattensees befinden.

Genauso sollte das sein in einem verkehrsberuhigten Wohngebiet, links der asphaltierte Fahrradstreifen und rechts die Schotterpiste für Autos.
Sogar durch einen dicht bewachsenen Wald gibt es einen 1a Fahrradweg.
Ein bestens beschildeter Fahrradübergang quert hier eine Straße. Man bekommt fast den Eindruck, die Fahrradfahrer haben hier Vorrang, wäre da nicht das Stop-Schild…

Am späten Vormittag kommen wir an einem kleineren See vorbei, der gerade nur dazu einlädt uns zu empfangen. So sagen wir zu dieser attraktiven Erfrischung nicht nein und springen ins Wasser. Ein echter Hochgenuss sich bei diesem doch sehr sommerlichen Wetter ein wenig abzukühlen.

Leon stürzt sich übermütig ins kühle Nass.

Wie frisch geduscht fahren wir noch eine gute Stunde weiter, bis wir entkräftet in einem kleineren Ort nicht unweit von unserem Tagesziel Budapest in einem Eiscafé Rast einlegen und uns von Hamburger über Kuchen bis hin zu Eis üppig beglücken. Danach heißt es aber endgültig die letzten 30 km bis nach Budapest in Angriff zu nehmen.

Mittgspause im Eiscafé.

Als wir endlich an die Donau kommen, wissen wir, dass es nicht mehr weit ist. Ein erhebendes Gefühl in Budapest anzukommen, irgendwie war diese Stadt immer ein großes Zwischenziel auf unserer Reise. Von hier aus geht es fast ohne Umwege (okay den kleinen Schlenker über Prag lassen wir außen vor) zurück nach Kassel. Und worauf wir uns mindestens genauso freuen, wir haben bis Wien die Ehre in Begleitung der Donau unterwegs zu sein. Ein toller Fluss, schon in Belgrad haben wir ihn kurz zu Gesicht bekommen.

Auch hier mangelt es nicht an Fahrradwegen, Budapest ist eine sehr fahrradfreundliche Stadt!

Im Zentrum der Stadt angkommen halten wir an einer der vielen Brücken, um uns zu orientieren. Bevor wir zu unserem warmshowers host für die nächsten zwei Tage fahren, wollen wir der griechischen Botschaft noch einen Besuch abstatten mit der Hoffnung, dort eine griechische Flagge zu ergattern. Dieser Einfall ist Vincent in den letzten Tagen gekommen, um sich ein wenig von den immer mehr werdenden Radfahrern abzusetzen. Und auch um denen hier etwas zurückhaltenderen Leuten mehr Anhaltspunkte und Gesprächsstoff zu bieten.

Plötzlich kommt ein anderer Fahrradfahrer von hinten herangefahren und begrüßt uns freundlich, er stellt sich uns als Arpad vor. Wir kommen mit ihm ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass er selbst vor einigen Jahren mit seiner Frau eine vierjährige Weltumrundung mit dem Fahrrad gemacht hat. Deswegen scheint er in Ungarn sogar eine kleine Berühmtheit unter Radlern zu sein, da es hier deutlich weniger Menschen gibt, die so eine lange Reise unternehmen. Er begleitet uns auf seinem Nachhause-Weg zur griechischen Botschaft, die zufälligerweiße auf dem Weg liegt.

Die feierliche Übergabe der griechischen Flagge vor der griechischen Botschaft in Budapest.

Nachdem wir glückliche Besitzer mehrerer griechischer Flaggen sind, lässt sich Arpad es nicht nehmen uns noch die typisch ungarische Süßigkeit in einem kleinen Kiosk zu kaufen, eine Art Milchschnitte mit Schokoladenmantel. Zu guter Letzt fahren wir noch zum bekannten Heldenplatz, wo er seine Weltumrundung gestartet und beendet hat. Er würde uns gerne noch eine ganze Stadtführung geben und auf ein Bier einladen, doch leider müssen wir weiter, denn unser warmshowers Gestgeber Viktor wartet schon auf uns.

Der Weltumrunder Apard zusammen mit uns beiden Europareisenden auf dem Heldenplatz.

Wir finden die Wohnung von Viktor unerwartet schnell ohne Orientierungsprobleme und werden schon von ihm erwartet. Wir schließen unsere Räder im Flur am Geländer fest und tragen unsere Taschen in seine Wohung, die er sich mit einem Mitbewohner teilt. Kaum sind wir drinnen, gibt er uns sehr motiviert eine ausführliche Einführung über die Stadt mithilfe eines Stadtplans. So viele Informationen auf einmal, wir können uns leider nur wenig merken. Danach wird erstmal geduscht. Kaum kommt Leon aus der Dusche, ist Vincent schon wieder abmarschbereit. Er will eine Bekannte vom Skifahren in der Stadt treffen und Leon will sich die Chance Budapest zu sehen natürlich auch nicht nehmen lassen. So ziehen wir gemeinsam los und treffen Marlen und Lena auf einem sehr hippen Streetfood Market in der Innenstadt.

Sehr schöne Location, der Karavan Streetfood Market. Von recht nach links: Lena, Marlen und den Rest kennt ihr hoffentlich.

Nach ein paar sehr leckeren Langos und der absolut ungarischen kulinarischen Spezialität Baumstriezel (nicht zu verwechseln mit ungarischem Baumkuchen!) ziehen wir ein paar Häuser weiter in die von Marlen und Lena heiß umschwärmte Ruinenbar. Nicht ohne Grund, denn diese ist wirklich einen Besuch wert! Auf zwei Ebenen wurde hier aus leer stehenden Häuser alles rausgeholt, was sich mit Vintage Style so machen lässt. Wir haben noch einen sehr netten Abend mit den Beiden und lachen viel.

In der sehr kultigen Ruinenbar.

Langsam werden wir aber alle müde und verabschieden uns auf ein baldiges Wiedersehen in Kassel zur documenta. Vincent bemerkt wenig später, dass Marlen die erste seit dem Start der Tour in Athen ist, die er vorher schon kannte. Wahnsinnig, wenn man bedenkt wie unglaublich viele neue Leute wir schon kennen gelernt haben. Doch ist es eine sehr schöne Abwechslung mal ein bekanntes Gesicht wiederzusehen und über gemeinsam vergangene Erlebnisse zu schwärmen.

Nach diesem wieder sehr ereignisreichen Tag fallen wir übermüde und glücklich in die Federn, nachdem wir unsere obligatorische Wäsche noch mit frischer Luft beglückt haben.

 

Kroatien: kaputt, Boxenstop in Slowenien, hallo Ungarn! #Tag 36 bis 38

Die letzte Woche ging viel zu schnell vorbei.. wir kommen Deutschland immer näher und das merken wir auch deutlich an unserer Umgebung. Heute haben wir das zehnte Land unserer Tour erreicht!

Samstag: Die zweite Nacht in einer warm-showers-Wohnung war super! Und wir freuen uns besonders über unsere gewaschenen, trockenen Schlafsäcke, die auf dem Balkon über unseren Rädern gehangen haben. Während Leon noch liegen bleibt, geht Vincent auf morgendliche Shoppingtour und kommt mit reicher Beute fürs Frühstück wieder. Währenddessen ist unser Gastgeber Vedran mit seinem Hund Simba eine Runde um den Block gegangen, sodass wir gemeinsam am Tisch sitzen. 

Alles wieder frisch gewaschen, inklusive Schlafsäcke 🙂

Etwas träge planen wir den heutigen Tag, der größtenteils aus einer Stadtbesichtigung bestehen soll. Die Bahnen fahren alle paar Minuten, weshalb wir sehr entspannt zur Haltestelle losmarschieren – es ist bereits kurz vor zwölf… Am Kiosk kaufen wir Fahrkarten, die im Vergleich zu Kassel sehr günstig sind (jedoch sind Bahnfahrkarten vermutlich überall günstiger als in Kassel…). Nachdem wir gestern schon im Auto gefahren sind, ist es geradezu ein Schock in der Straßenbahn zu sitzen.

Die Fahrt ist ein kurzer Spaß, denn zur Innenstadt haben wir es nicht weit. Bei einer ehemaligen Moschee, die mehrmals umgenutzt wurde, steigen wir aus und schauen sogleich in den großen, runden Bau hinein, denn es ist mit großen Plakaten die „Comic Con Zagreb“ angekündigt. Ein paar Künstler und eine Ausstellung erwarten uns, weshalb wir etwas länger verweilen.

Wir laufen in Richtung des Domes weiter, der von weitem gut erkennbar, ein Anzugspunkt unserer Aufmerksamkeit ist. Innen ist er sehr dunkel, doch prunkvoll eingerichtet – normal katholisch, nicht orthodox. Wie unterschiedlich die Gotteshäuser eingerichtet sind, fasziniert uns schon seit Beginn der Reise.

Gerade so passt er aufs Foto drauf.

Auf dem Platz vor dem Dom ist eine ganze Reihe von Ständen aufgebaut, die verschiedene Nationen vertreten und in der Mitte ist eine kleine Bühne aufgebaut. Wie wir erfahren, findet heute ein EU-Tag statt, an dem die Mitgliedstaaten jeweils ihr Land vorstellen. Außerdem wird über das Studium im Ausland informiert… in einem der Länder, durch die wir gefahren sind, ein Auslandssemester zu machen, klingt für uns immer reizvoller! Von Werbegeschenken überhäuft machen wir uns weiter, jedoch nicht ohne uns mit dem griechischen Botschafter in Zagreb zu unterhalten, der den griechischen Stand betreut.

Ein paar Schritte weiter beginnt eine ganze Zeile mit Cafés und Restaurants, die allesamt sehr schön eingerichtet sind. Ein Grund mehr, sich mit Leckereien aus der Bäckerei dort niederzulassen.

Der Aufstieg zu einer weiteren Kirche und dem Parlamentsgebäude führt über Treppen und verwinkelte Gassen. Oben hat man einen sehr schönen Überblick über die Stadt. Während Leon auf den Kanonenturm steigt, von dem symbolisch jeden Tag um zwölf Uhr die Kanone abgefeuert wird, zum Gedenken an Zeiten, in denen sie gegen angreifende Feinde eingesetzt wurde, bleibt Vincent unten und baut sein Wissen in der Touriinfo aus.

Andere Treppen hinab, umgehen wir die Zahnradbahn, für die wir kein Geld ausgeben wollen und kommen zu dem hufeisenförmigen Park, in dem diverse Sehenswürdigkeiten zu finden sind. Angefangen mit dem Nationalarchiv, kommen wir zum botanischen Garten, der in dieser Jahreszeit unglaublich am blühen ist.

Der botanische Garten in voller Pracht.
Vincent in action.
Das actionreiche Ergebnis.

Der Tag neigt sich dem Ende zu, weshalb wir in Richtung des Hauptplatzes vor dem Bahnhofsgebäude laufen, wo unsere Bahn fährt. Zurück in der Wohnung, fangen wir an, unsere Gemüsevorräte zu verarbeiten, die wir nun seit mehreren Tagen mit uns schleppen. Dazu gibt es Bulgur und wir unterhalten uns über dies und das. Unter anderem bekommen wir auch einen neuen Eintrag in das Anne-Frank-Tagebuch. Da wir morgen weiter fahren wollen, wird der Abend nicht mehr all zu spät.

Wieder ein neuer Eintrag im Tagebuch und ein zweiter netter Abend mit Vedran!

Sonntag: Bereits die dritte Nacht in Folge in einem Bett zu schlafen ist wirklich totaler Luxus. Gut erholt stehen wir gemeinsam mit Vedran auf, der um 10 Uhr bei einem Berglauf mitmacht. Doch zuerst geht er mit seinem Hund Simba noch eine Runde Gassi, während Leon beim Bäcker fürs Frühstück einkauft und Vincent ein paar der vielen Anfragen über warmshowers für Budapest versendet. Nach Vincents gestrigem gescheiterten Versuch Omelett zu zaubern, beglückt uns Vedran heute mit super leckerem Rührei und eine kroatische Variante von „Arme Ritter“. Da wir unsere Sachen noch fertig zusammen packen müssen, macht sich Vedran vor uns los und wir bedanken und verabschieden uns ganz herzlich für diese tollen zwei Tage mit ihm. Viel gelernt haben wir in den interessanten Gesprächen mit ihm über Land und Leute. Toll, dass es solche Menschen wie ihn gibt, die mit aller Herzlichkeit Menschen bei sich zu Hause empfangen, um Geschichten auszutauschen und eine Art Kulturaustausch zu betreiben.

Effiziente Ausnutzung einer Einzimmer-Wohnung.
Auch die Räder haben einen sicheren Stellplatz neben dem Flitzer von Vedran gefunden.

Bevor wir die Zagreb verlassen, erwerben wir noch hochprozentigen Alkohol in der Aphoteke, als Ersatz für unseren zu neige gehenden Spiritus. Dann heißt es Abschied nehmen von dieser schönen Stadt, auf gehts nach Slowenien. Am Stadtrand auf einer wenig befahrenen Straße, fällt Vincent plötzlich etwas von seinem Fahrrad herunter und er hört nur hinter sich, wie Leon es ungewollt in voller Fahrt überrollt. Mit Schreck stellen wir fest, dass sich das Gehäuse von Vincents Actioncam während der Fahrt geöffnet hat (wir wissen bis heute nicht wie genau das passieren konnte) und es die Actioncam war, die auf die Straße gefallen ist. Resultat, die Actioncam hat einen Totalschaden erlitten.

Das war dann wohl selbst für eine Actioncam zuviel Action…

Etwas niedergeschlagen von diesem unerwarteten Lebensende der treuen Begleiterin, fahren wir schweren Herzens weiter. Doch wenig später ist selbst Vincent wieder bester Laune, er schmiedet schon Pläne für eine neue Sponsoring-Aktion (mehr wird noch nicht verraten).

Wenig später bekommen wir ein kleines déjà-vu an den Anstieg hinter Sarajewo, als wir schwer schnaufend im stehen (für im sitzen kurvend die Straße hochfahren ist es zu steil) die Straße hochschleichen. Zum Glück ist der Anstieg nicht ganz so lang wie in Sarajewo, dafür aber kurz und knackig.

Oben angekommen haben wir einen tollen Ausblick auf die umliegenden Hügel, doch leider ist Zagreb schon hinter einer Hügelkette verschwunden. Der Anblick der willkommenen Erhebungen und die bevorstehende Abfahrt lässt es aus Vincent heraus: „Jetzt weiß ich es wieder, ich mag Berge doch lieber als Flachland“. Kurz darauf hört der Asphalt unserer Straße aprupt auf und verwandelt sich in einen steinigen Schotterweg, wir bereiten uns schon aufs Schlimmste vor. Doch es kommt viel besser als gedacht und genießen eine spaßige Mountainbikeabfahrt.

Mountainbike 3.0

Auf der weiteren Strecke kommen wir an einigen auffällig großen Menschenansammlungen vorbei, erst später fällt uns ein, dass dies mit dem Muttertag zu tun haben muss. Der wird hier anscheinend groß gefeiert. Das Landschaft verliert heute den ganzen Tag über nicht ihren Reiz, sie ist im höchsten Grade abwechslungsreich. Genauso das Wetter…

Die Wolken ziehen langsam näher.

Da wir erst spät aufgebrochen sind, machen wir uns erst um kurz nach zwei auf die Suche nach einem geöffneten Supermarkt, doch am heutigen Tage leider Fehlanzeige. Wir müssen uns wieder mehr an deutsche Verhältnisse gewöhnen und in Zukunft vorrausschauender einkaufen. Zum Glück haben wir noch etwas Essen von heute Morgen dabei und so setzen wir uns aufgrund eines kleinen aufziehenden Schauers in ein Café und stärken uns.

Die Zeitspanne unserer Pause haben wir ideal gewählt, denn als wir uns wieder auf die Räder schwingen ist der Schauer vorüber. So fahren wir nun stets neben der Autobahn auf einer Landstraße gen Norden und kommen schneller voran als erwartet.

Wir sind uns nicht ganz sicher, ob dies ein Verbotsschild darstellen soll. Spielt aber auch keine Rolle, hier führt schließlich unser Track entlang 😀

Die Landschaft wird wieder etwas hügeliger, doch dank ein paar Tunneln bleiben wir ganz bequem im Tal. Diese sind zu unserer Freude beleutet, die ersten beleuchteten Tunnel auf unserer Tour. Im Balkan waren die Tunnel nicht viel mehr als ein Loch im Berg, keine Beleuchtung, keine Belüftung, keine Notfallbeschilderung oder ähnliches. Doch immer noch Welten besser, als über den Berg zu müssen!

Kurz vor der vermeintlichen Grenze treffen wir auf zwei Mädchen, die uns zu verstehen geben, dass diese Straße nicht nach Slowenien führt und wir stattdessen eine andere nehmen müssten. Ganz verstehen wir nicht, doch kurz darauf kommt ein anderer Radfahrer, der sich als Slowene entpuppt und auf dem Heimweg ist. So folgen wir ihm ein kleines Stück die Straße zurück und fahren schließlich auf die Autobahn auf.

Dieser Grenzposten ist anscheinend seit dem Eintritt Kroatiens in die EU nicht mehr passierbar.
Unsere Alternativroute führt uns ein kleines Stück über die Autobahn bis zur Grenze, wohlbemerkt das erste Mal Autobahn auf unserer Tour.

Anscheinend ist dieses kurze Stück Autobahn bei dem hiesigen Grenzübergang nicht zu vermeiden und so genießen wir die paar Meter fast leergefegte Autobahn. Vedran hatte uns morgens noch gewarnt, es könnte an der Grenze zu Slowenien aufgrund des Eintritts in den Schengen-Raum zu Wartezeiten bis zu fünf Stunden kommen. Als wir dem Grenzposten näher kommen sehen wir, was er gemeint hat. Es reiht sich ein Reisebus an den nächsten, es müssen alle Gäste aussteigen und ihren Reisepass vorzeigen. Das kann dauern… Doch wir folgen einfach dem Radfahrer aus Slowenien, der sich wie ein alteingesessener Kurierfahrer gekonnt an den wartenden Blechlawinen vorbeischlängelt. So passieren wir in null komma nix die kroatische Grenze, wo unsere Reisepässe noch gescannt werden. Auf der slownischen Seite werden wir von der Grenzbeamtin nur mit einem Lächeln durchgewunken, als sie unsere deutschen Reisepässe erblickt. Willkommen in Slowenien!

Unser Heilsbringer will heute noch gut 20 km weiter fahren bis in seine Heimatstadt Maribor, deshalb tritt er hinter der Grenze ziemlich in die Pedale. Doch Vincent will sich die ohnehin schon kurze Zeit in Slowenien nicht noch durch Hetzen kürzen lassen und fährt so entspannt hinterher. Da uns der nette Herr aber unbedingt den Weg bis nach Ptuj zeigen will, wo wir heute Nacht schon die vierte Nacht in Folge über warmshowers verbringen, wartet er immer wieder am Wegesrand auf uns.

Der freundliche slowenische Radfahrer mit uns.

Schließlich sind wir in Ptuj (deutsch Pettau) und verabschieden uns dankbar bei unserem sehr motivierten Mitstreiter. Ptuj ist eine überschaubar kleine, sehr schöne Stadt mit einer toll anzusehenden erhaltenen Altstadt. Auf dem Weg zur Wohnung von Damjana, unsere heutige Gastgeberin, hält plötzlich eine Frau neben uns und meint ganz euphorisch „Are you my warmshowers guests tonight?“. Sie stellt sich uns als Damjana vor und erklärt uns kurz den Weg zu ihr, bevor sie mit der Rennradgruppe weitersaust, was für ein Zufall! Heute Nacht sind wir nicht ihre einzigen Gäste, ein 73-jähriger Amerikaner hat es sich ebenfalls in ihrer großen sehr kunstvoll eingerichteten Wohnung gemütlich gemacht. Er begrüßt uns freundlich und wir verbringen einen entspannten Abend mit tollen Gesprächen. Der Amerikaner erzählt uns, er sei schon seit vier Jahren mit dem Liegerad in Europa unterwegs, er und seine Frau hätten in Oregon alles Hab und Gut verkauft und seien in eine Wohung nach Montenegro gezogen. Diesen Sommer seien sie getrennt unterwegs, seine Frau würde in den Alpen wandern und er macht eine Radtour durch Osteuropa. Eine absolut beeindruckende Persönlichkeit finden wir und wünschen uns, in diesem Alter noch genauso fit zu sein.

Ptuj, idyllisch gelegen am Fluss Drava.

Später kommt Damjana mit ihrem Sohn vom Radtraining wieder und wir unterhalten uns noch nett über Gott und die Welt. Vincent kommt noch auf die Idee, sie um einen Beitrag im Anne Frank Buch zu bitten, welchen Damjana freudig einträgt. Doch leider muss sie am nächsten Tag früh zur Arbeit und so machen wir uns es in einem eigenen Zimmer gemütlich und schauen eine Reisedoku von zwei Radreisenden (für alle Interessierten: Berlin2Shanghai in der ARD Mediathek eingeben, noch bis Anfang Juni verfügbar. Sehr zu empfehlen von den bekannten Hoepner Zwillingen!).

Montag: Wir erinnern uns noch an die weisen Worte des Amerikaners gestern Abend, der sich angesichts des Wettertiefs für einen Pausentag heute entschieden hat. Als wir das Fenster aufmachen sehen wir einen grauen Himmel und hören den nicht enden wollenden Regen auf die Erde niederprasseln. Angesichts dieser Tatsache packen wir sehr gemütlich unsere Sachen zusammen und machen uns etwas verspätet auf dem Weg zum Bäcker und Supermarkt fürs Frühstück. Alles nötige Essen beisammen, können wir leider keine überdachte Sitzmöglichkeit finden, weswegen wir uns in den überdachten Außenbereich eines gemütlichen Cafés setzen und dort nun eher einen Brunch als Frühstück im trockenen zu uns nehmen.

Ptuj mit seiner auffallend gut erhaltenen alten Bausubstanz ist die älteste Stadt der ehemaligen Steiermark.

Reichlich spät um viertel nach elf satteln wir die Räder und machen uns mit voller Regenmontur auf den Weg. Doch das wird uns bei 16°C schnell zu warm und wir haben die Wahl zwischen nass werden vom Regen oder vom Schweiß. Leon entscheidet sich fürs erstere während Vincent die Schweißvariante bevorzugt.

Todesmutig stürmt Leon ohne Regenjacke den Berg/Hügel hoch.

Das schlechte Wetter schafft es aber zum Glück nicht, uns die gewohnt gute Laune zu nehmen und so saugen wir die schöne Hügellandschaft nur so in uns auf. Plötzlich taucht in der Ferne ein nicht identifizierbarer Turm auf, welcher sich als begehbarer Funkturm entpuppt. So stellen wir unsere Räder ab und krackseln die vermutlich steilsten Treppen Sloweniens hinauf. Doch die Strapazen lohnen sich, von oben ist eine herrlicher Ausblick. Leider tut das Wetter sein übriges und versperrt uns den vermutlich grandiosen Blick auf die Alpen.

Drohnenansicht von oben.
Die Aussicht könnte schlechter sein.

Nach diesem klein bisschen Höhenluft schnuppern geht es leicht bergab und wir folgen der Straße bis in den nächst größeren Ort, wo wir einen Supermarkt finden. Da wir heute morgen schon Brotzeit hatten entscheiden wir uns für ein Müsli am Mittag. Während wir Pause machen, wird der Regen langsam weniger und wir schöpfen erste Hoffnungen, unser Zelt heute nicht auf nassem Untergrund aufbauen zu müssen.

Müsli-time auf Stühlen vor dem Supermarkt.

Weiter führt uns der Track immer näher an die Grenze zu Ungarn, obwohl wir dieses schöne Land nach gerade mal einem Tag eigentlich nicht schon wieder verlassen wollen. Doch da wir bis zur Ankunft in Kassel inzwischen einen ausgearbeiteten Zeitplan haben, wissen wir leider, dass wir weiter müssen.

Der Teil Sloweniens, den wir befahren, hat ein außergewöhnlich gutes Radwegenetz. Sowohl innerorts als auch auf dem Land!

Kurz vor der Grenze wird es spannend für Vincent. Da er diesen Teil der Route geplant hat, weiß er dank der heutigen digitalen Möglichkeiten, dass die Straße im Nichts enden sollte. Deswegen war eigentlich der Plan, einen kleinen Umweg zum Grenzübergang der Autobahn zu fahren. Doch als wir an diesem Abzweig ankommen, entscheiden wir uns kurzerhand fürs Abenteuer und fahren das kurze Stück in die vermeintliche Sackgasse. Vincent kann seinen Augen nicht glauben, offentsichtlich wurde hier von ungarischer Seite erst vor kurzem eine nigelnagelneue Straße gebaut. So können wir die erste Grenze ohne Greneposten auf unserer Tour passieren, ein seltsames Gefühl. Wäre da nicht das obligatorische Willkommensschild hätten wir kaum geahnt in einem anderen Land angekommen zu sein.

Der Grenzübergang zwischen Slowenien und Ungarn, einzig und allein getrennt durch einen kleinen Graben.
Ganz ungestört können wir ein Grenzfoto machen. Der erste Grenzübergang, wo wir nicht unseren Reisepass vorzeigen müssen.

Inzwischen ist es schon wieder spät geworden und wir finden nach einem kleinen Stop in der Stadt Lenti einen ultimativen Campingspot 500m von der Straße entfernt inmitten der Natur. Während Vincent Bulgur mit Gemüsepfanne kocht sammelt Leon Brennstoff für ein Lagerfeuer. So richtig haben wir es noch gar nicht begriffen, dass wir uns schon wieder in einem neuen Land befinden. Doch zum Glück verbringen wir hier wieder ein paar mehr Tage, als in Slowenien. Eins steht fest, Slowenien ist einer der vielen Orte, wo wir definitiv zurückkommen wollen.

Umgeben von Wald und Wiesen schlagen wir unser Nachtlager auf. Und tatsächlich ist es trocken geworden!

Seit gestern ist in der Hessen-Mediathek ein Beitrag über unsere Tour zu sehen. Merlin Franke hat uns für seine Sendung ‚Hallo Kassel‘ gefilmt, die beim Offenen Kanal ausgestrahlt wurde.

http://www.mediathek-hessen.de/index.php?ka=1&ska=medienview&idv=15876

Beflügelt von Land, Leuten und Wetter nach Zagreb #Tag 34 & 35

Seit wir im Flachland unterwegs sind, begegnen uns seit Belgrad erstaunlich viele Einheimische mit dem Fahrrad. Was uns Anfangs noch verwunderte ist ganz einfach damit zu erklären, dass wohl die meisten Menschen auch ohne Gepäck Anstiege mit dem Rad eher meiden. Das gleiche Phänomen, wie man es wohl an vielen Orten der Welt beobachten kann. Auf der Ebene radelt es sich einfach mit weniger Anstrengung und macht es so für eine breite Masse der Bevölkerung zu einem attraktivem Fortbewegungsmittel. Die Gründe dafür sind so vielschichtig, dass man darüber wohl einen eigenen Blogeintrag verfassen könnte, also lassen wir es an dieser Stelle fürs Erste dabei…

Donnerstag: Wie am Abend zuvor von Ana angekündigt, werden wir um Punkt sechs Uhr von den Kirchenglocken direkt über uns etwas unsanft aus dem Schlaf gerissen. Doch das macht nichts, denn viel länger hätten wir vermutlich ohnehin nicht geschlafen. Etwas müde vom ungewohnt späten Abend gestern, packen wir unser leicht feuchtes Zelt ein. Wir überlegen kurz, ob wir der am Abend ausgesprochenen Einladung auf ein Frühstück bei Ana und ihren Eltern nachkommen sollen, entscheiden uns aber aufgrund der noch großen eigenen Vorräte dagegen. Auch wenn uns die Entscheidung nicht leicht fällt, wird uns doch deutlich, in welch einer Luxussituation wir uns einmal mehr befinden, sich zwischen zwei Frühstücksumgebungen entscheiden zu müssen.

Der einmalige Campingspot im Licht der warmen Morgensonne, im Hintergrund ist das Pfarrhaus sowie ein kleines Kloster inklusive Altersheim zu sehen.

An den ersten Supermärkten fahren wir bewusst vorbei, um nicht doch noch eine Begegnung mit bekannten Gesichtern und der Versuchung einer Einladung zum Frühstück zu entgehen. Nach fünf Kilometern stoppen wir dann aber doch und Leon holt den üblichen Liter Joghurt für unseren Fruchtcocktail. Als Leon wieder herauskommt, unterhält sich Vincent mit einem älteren Herrn, der einige Jahre in Düssseldorf gearbeitet hat. Ein weiteres Mal verdutzt von den vielen Kroaten, die schon in Deutschland gearbeitet haben, lassen wir uns unweit vom Supermarkt auf einer Bank zum Frühstück nieder.

Das Repatoire unserer Frühstücksorte wird um ein neuen erweitert, ein Spielplatz 😀

Nach einem sonnigen Frühstück und zufrieden gestellten Mägen schwingen wir uns wieder in den Sattel. Wir fahren nun schon seit einigen Tagen auf der sogenannten Ruta Sava, welche eine ausgeschilderte Fahrradroute entlang des Flusses Save (Sava) darstellt. Zwar führt die Route fast gänzlich auf der Landstraße entlang, doch diese ist sehr angenehm wenig befahren und so genießen wir bei wieder super Wetter die Landschaft sowie die vielen grüßenden Passanten.

Wir fahren seit Belgrad fast durchgehend auf der „Ruta Sava“, welche zu großen Teile ein wenig befahrene Landstraße ist.

Vincent erinnert sich plötzlich wieder an die Worte von Ana am Vorabend, es würde auf der heutigen Strecke viele zerstörte Orte sowie Einschusslöcher in Hausfassaden geben. Diese sind ein trauriges Überbleibsel des Krieges gegen Serbien von 1991 bis 1995. Kaum hat Vincent seine Gedanken ausgesprochen,  kommen wir auch schon in den ersten Ort, wo so ziemlich jedes Haus kaum älter als 20 Jahre zu sein scheint. Zwischendrin stehen immer mal wieder halb zerfallene Häuser mit erschreckend vielen Einschusslöchern. Wir sind beide etwas erstaunt von der großen Zerstörung des Krieges, denn wir hatten nach dem Kosovo keine größeren Zerstörungsanzeichen mehr erwartet. 

Während Leon ein Foto von einem auffallend schönem Haus mit liebevoll eingerichteten Garten macht, kommt ein Mann an den Gartenzaun. Er stellt sich uns mit wenige Fetzen Deutsch als George vor und lädt uns zunächst ein, unsere Wasservorräte an seinem Brunnen aufzufrischen. Als wir uns wieder verabschieden wollen, kommt seine Frau Melina mit einem Teller voller selbstgebackener Gebäckköstlichkeiten aus dem Haus. Wir ahnen schon, was das bedeutet und begeben uns beglückt, abermals auf so herzliche Menschen gestoßen zu sein, auf die gemütliche Terrasse.

George, Melina und Vincent vor deren stilvoll eingerichteten Grundstück.

Während wir uns mit süßen Leckereien den Magen voll schlagen, erzählt uns George mit englischen & deutschen Wortfetzen einiges über seinen Garten und klärt uns stolz auf, dass er sein Haus nach dem Krieg selbst gebaut habe. Nachdem wir von Melina noch österreichischen Cappuchino serviert bekommen haben, machen wir uns wieder auf dem Weg, mit einem unübersehbarem Strahlen im Gesicht. Wir hatten bisjetzt nach jeder solcher Begegnungen ein Gefühl, dass diese einmalig war, doch in Kroatien scheint dies nicht zu gelten. Hier gibt es viele dieser einmalig herzlichen & gastfreundlichen Menschen.

Eine absolute Schande, diese Kirche wurde während dem Krieg stark zerstört.

Unsere Strecke führt uns weiter durch ehemahls zerstörten Ortschaften. Doch zum Glück ist hier wieder viel Leben eingekehrt, die Menschen arbeiten und leben hier wie in anderen Orten auch. Der Anblick scheint uns dennoch ein wenig paradox, zum einen das blühende Leben zu sehen und direkt daneben noch deutlich sichtbare Spuren des Krieges zu entdecken.
Foto Mittagspause 

Nach knapp 60 Tageskilometern kommen wir in Novska an, wo wir einen Mittagsstop einlegen. Erst wird richtig geschlemmt, mit mächtigen aber super leckerem Burek aus der Bäckerei und dann ist Entspannung angesagt. Nach einer kleinen sehr angenehmen Erfrischung in einem vermeintlichen Wassertretbecken, welches sich als Brunnen entpuppt, setzen wir uns in ein nahgelegenes Cafe, um am Blog zu schreiben.

Vincent kann einer kleinen Erfrischung im Becken eines Brunnen bei sommerlichen Temperaturen nicht widerstehen.

Die Zeit vergeht wie im Flug und um fünf stellen wir etwas erschrocken fest, dass wir mal weiter fahren sollten. Schnell wird der fertige neue Blogeintrag noch hochgeladen und schon sitzen wir auf den Rädern. Es sind noch 26 km bis nach Kutina, wo uns der erste warmshowers Gastgeber unserer Reise erwartet. Warmshowers ist eine Internetplattform für Radreisende, wo man Gastgeber finden kann, die einem ein Platz zum schlafen und auf jeden Fall eine warme Dusche anbieten. Mit einem ähnlichen Energieboost wie am Vortag, fahren wir die Strecke in einer knappen Stunde und stellen dabei erfreut fest, welch einen netten Trainigseffekt die letzten Wochen doch hinterlassen haben.

Während wir auf dem Lidl Parkplatz auf unseren warmshowers-host warten vernichten wir noch die letzten Essensreste 🙂

Angekommen in Kutina fahren wir zum vereinbarten Treffpunkt, einem Lidl-Parkplatz, wo uns unser Gastgeber Lukica abholen will. Nach einem kurzen Anruf ist er eine viertel Stunde später auch schon da und begrüßt uns, selbstverständlich mit dem Rad. Wir folgen ihm durch die kleine Stadt, den Berg hinauf zu seinem Elternhaus, wo er im oberen Stockwerk sein eigenes Reich hat. Dort beziehen wir sein Zimmer, welches er großzügigerweise für uns freigeräumt hat, er schläft stattdessen auf der Couch. Die erste Dusche seit Belgrad tut wirklich gut und wir fühlen uns sauberer denn je. Zum Abendessen hat die Mutter von Lukica Nudeln gekocht, welche wir mit selbstgemachtem Tomatenketchup genießen. Lukica erzählt uns viel vom Kroatienkrieg gegen Serbien und wir hören gespannt zu. Doch lange hält es uns nicht mehr am Tisch, wir sind beide einfach zu müde. Dankend verabschieden wir uns von Lukica, der morgen schon früh aus dem Haus zu Arbeit muss und fallen ins Bett.

Freitag: Die erste Nacht bei einem warmshowers-Host war eine neue Erfahrung auf der Tour. Das Gefühl dabei ist ein ganz anderes, als wenn man von einer Familie einfach so eingeladen wird. Zwar ist das so herzlich und super nett, aber man steht dann im Mittelpunkt von allem, was hier in Kroatien normal sein mag (oder in Albanien, im Kosovo und eigentlich überall auf unserer Reise), für uns jedoch neu ist. Wenn man hingegen bei anderen Radfahrern unter kommt, erzählt man zwar auch sehr viel und gerne, hat jedoch auch noch Zeit für sich.

Wir stehen auf, packen alles zusammen, hinterlassen noch eine Nachricht zum Dank, die Lukica später finden wird und geben den Haustürschlüssel bei seinen Eltern ab. Sehr schön war es hier, mit viel selbst angebautem Gemüse im Garten und einem großen Gartenteich mit Fischen.

Leider haben wir ein Foto von Innen vergessen, hier das Haus von Lukica von Außen.

Ein Stück durch den Ort fahren wir noch und kaufen unser Müsli-Frühstück ein. In der Sonne, die bereits warm genug für kurze Sachen ist, genießen wir den Morgen. Eine Frau hört uns deutsch sprechen und erzählt uns sogleich, dass sie lange in Deutschland gelebt hat. Sie hätte uns auch zu sich nach Hause eingeladen, zum Essen und Schlafen, doch wir sind schon am frühstücken und wollen heute weiter fahren, weshalb wir dankend ablehnen müssen…

Frühstück im strahlenden Sonnenschein.

Es wird ein sehr warmer Tag werden. Unsere heutige Etappe bis Zagreb startet genau wie die letzten Tage sehr beschwingt. Durch eine sehr schöne Wald- und Wiesenlandschaft fahren wir den ganzen Vormittag dahin. Ab und an haben wir jetzt sogar richtige Hügel auf der Strecke! Während wir einen dieser Hügel hinaufschnaufen, überholt uns in sehr gemächlichem Tempo ein Traktor, der einen Anhänger mit Schweinemist transportiert. Leon fasst sich ein Herz und hält sich kurzerhand am Anhänger fest. Der Fahrer nimmt das mit einem Lachen hin und so wird das (leider nur für Leon) die entspannteste Auffahrt. „Das wollte ich die ganze Zeit schon machen!“, ist sein Kommentar danach. Schon mehrere Male hat sich uns eine solche Gelegenheit ergeben.

Noch ahnt Leon nichts von seinem Glück, im Hintergrund kommt der Traktor angefahren. Guter Laune ist er trotzdem schon 😀

Gegen Mittag erreichen wir Ivanić Grad, ein Zehntausend-Einwohner-Ort, wo wir erneut an einer Kirche halt machen und rasten. Während wir zur Abwechslung mal wieder am Essen sind, kommt ein Mann vorbei, der sehr begeistert von unserer Tour ist. Er selbst möchte bald eine eigene Tour machen. Nachdem er kurz verschwunden ist, kommt er mit zwei Kulis aus einem Touribüro wieder und meint, dass er uns unbedingt etwas mitgeben möchte. Sehr erfreut von der netten Geste, verabschieden wir uns voneinander. Während sich Vincent mit dem Blog auseinandersetzt, schlägt Leon sein Buch auf, was mit der Zeit nach gaaaanz unten in seine Packtasche gerutscht ist (wie gesagt ist die Zeit zum Lesen bisher nicht wirklich da gewesen). 

Mittagspause im Grünen vor einer schönen Kirche, die aber leider nur Sonntags geöffnet ist.

Als wir nach der Pause aufbrechen wollen, denken wir nochmal an die lustige Begegnung eben und prompt taucht der Mann nochmal auf! 😀 Er ist anscheinend öfter hier unterwegs.

Wir fahren aus dem Ort und jetzt begegnet uns die erste der Tiefpumpen, die uns die Österreicher vor ein paar Tagen zu Hauf angekündigt hatten. Was genau die Pumpen hier an dieser Stelle zu Tage befördern, wissen wir noch nicht. Bisher waren wir von Erdöl ausgegangen, doch werden damit auch Sole und andere Flüssigkeiten aus dem Untergrund gefördert.

Wie wir heute von unserem Gastgeber in Zagreb erfahren haben werden diese Aparaturen in Kroatien zur Erdgas-Gewinnung genutzt.

Nachdem wir ein Stück aus der Stadt gefahren sind, begegnen uns noch mehr dieser Pumpen, bei denen wir wie hypnotisiert stehen bleiben. Weiter geht es unweit der Autobahn entlang, die wir das eine oder andere Mal kreuzen. Wir sehen sogar einen Storch… fast nur einen… in jedem Dorf. Diese sind wirklich wunderschön!

Ein Storch und eine Kirche im Einklang.

Nicht mehr lange und wir erreichen Zagreb, die Hauptstadt Kroatiens! Unsere zweite warmshowers Unterkunft wartet hier auf uns, wo wir zwei Nächte verbringen werden. Zwar liegt sie nicht ganz im Zentrum der Stadt, doch es gibt gute Bus- und Bahnverbindungen, weshalb das kein Problem ist (die Räder lassen wir dann faul stehen, weil wir sie nicht mitten in der Stadt anschließen wollen…). Nach einigem rumgegurke finden wir das Haus von Vedran, der schon ein Essen für uns vorbereitet hat! Seit ein paar Tagen schon haben wir Gemüse und Bulgur für ein leckeres Abendessen dabei, doch da wir immer zum Essen eingeladen wurden, konnten wir es noch nicht verarbeiten.

Nach 5 Etappen haben wir uns einen Pausentag in Zagreb verdient.

Nachdem wir geduscht und gegessen haben, fahren wir mit Vedran zu einem Bergsteigertreff, der sich jede Woche zu einem Feierabendbier und ein wenig Planung in einem kleinen Raum nahe der Innenstadt trifft. Freudig werden wir aufgenommen und unterhalten uns eine Weile mit den Leuten, doch merken wir beide, wie müde wir vom Tag sind. Deshalb verabschieden wir uns schon früher, laufen zurück und fallen schnell ins Bett.

Wir mussten dem Spruch „It smells like fresh roses here“ mal auf den Grund gehen 😀
Das gesellige Treffen des Mountaineering Clubs mit unserem Host Vedran.

Mit Gegenwind und vielen Wolken ins sonnige Kroatien! #Tag 31 bis 33

Gut, dass es nicht immer regnet.. fast eine Woche lang war das Wetter sehr dürftig, weshalb wir jetzt sehr ausgelassen das gute Wetter feiern! Wir haben uns sehr über die Rückmeldung zur Halbzeitstatistik gefreut ;D wer noch mehr Ergänzungsvorschläge hat, kann gerne einen Kommentar verfassen…

Montag: Schade, schade, Belgrad müssen wir heute hinter uns lassen.. wie in vielen Städten auf unserer Tour, hätten wir auch hier gut und gerne noch ein paar Tage länger bleiben können.. Unser Zeitplan lässt das aber nicht zu, obwohl wir ihn recht flexibel gestaltet haben. Schon jetzt wissen wir, dass das nicht die letzte Reise in den Balkan ist!

Das Gepäck ist schnell verstaut, doch einige organisatorische Dinge müssen noch erledigt werden. Ziemlich spät verlassen wir das Hedonist-Hostel, dessen Team super freundlich und hilfsbereit ist! Sehr zu empfehlen! (In der Saison ist es allerdings ratsam, im Vorfeld zu buchen, da das Hostel sehr begehrt ist) Wir drehen zunächst noch eine Runde durch die Stadt, denn wir wollen in einer der vielen Buchhandlungen einen serbischen Eintrag in das Tagebuch bekommen. In der Fußgängerzone, in der wir gestern Abend noch einen Künstler getroffen haben, der mit einer Spachteltechnik schöne Bilder gezaubert hat, werden wir fündig…

Nachdem wir in einem Outdoorladen vergebens nach Spiritus gesucht haben, beschließen wir endlich loszufahren. Unser Vorrat geht zwar langsam zur Neige, doch in dem Laden hat man uns Vodka als Ersatz empfohlen, was zwar gut brennt (in jeglicher Hinsicht) aber auch viel Ruß hinterlässt. Im Notfall lässt sich das jedenfalls überall auftreiben.

Auf einem bestens ausgebauten Fahrradweg fahren wir aus der Stadt hinaus, ein Stück an der Donau entlang. Das Wetter lässt zu wünschen übrig, denn es ist bewölkt und zwischendurch fallen ein paar Regentropfen. Zudem hat der Wind seine Richtung der letzten Tage nicht geändert. Alles, was wir zuvor im Rücken hatten, pustet uns jetzt entgegen, weshalb es gemächlich voran geht.

Der Donauradweg! An anderer Stelle der Route werden wir erneut auf die Donau stoßen, doch jetzt heißt es ersteinmal Abschied nehmen! Im übrigen auch zur Gänze vom Balkan, der von Save und Donau abgegrenzt wird…

Ab und an gibt es auch neben der Bundesstraße einen Radweg! Die meiste Zeit fahren wir jedoch auf der Straße, auf der uns viele große LKWs überholen.

Der Gegenwind zerrt ziemlich an unseren Kräften, da wünschen wir uns fast die Berge zurück! Der Vormittag zieht sich etwas dahin, doch immerhin sind die Temperaturen perfekt zum Radfahren. Unterwegs kommen wir immer wieder an leer stehenden Kirchen vorbei, die verlassen inmitten von Ortschaften stehen. 

Mehr oder weniger gut erhalten, lassen sich einige der Kirchen sogar von innen besichtigen. Der obere Teil der Turmtreppe sieht allerdings nicht sehr vertrauenerweckend aus, weshalb wir nur bei einer verfallenen Orgel ohne Pfeifen halt machen.

Gegen zwei Uhr orientieren wir uns Richtung Pause, weshalb wir bei einem Bäcker einkaufen. Der Mann, der nach uns in den Laden kommt, spricht uns begeistert an mit: „We have same blood! I’m cyclist too!“. Kurz darauf lässt er es sich nicht nehmen, uns unseren Einkauf zu bezahlen. Ruma, der Ort an dem wir angehalten haben, scheint sehr radbegeisterte Menschen zu beherbergen!

Auf dem Platz, an dem wir die Pause einlegen, befindet sich ein merkwürdige, kameraüberwachte Videotafel, auf der ununterbrochen Werbung läuft.. vielleicht gibt es hier zu besonderen Anlässen auch soetwas wie ein Public Viewing, denn sonst erschließt sich uns der Sinn der Tafel eher weniger. Vorallem scheint uns die Ausrichtung der Videokameras komplett sinnfrei, denn sie sind nicht auf den Platz, sondern auf die Vidoetafel gerichtet.

Ein üppiges Mittagessen später, sitzen wir auf den Rädern, mit wenig Motivation uns dem Wind entgegenzustellen.. Doch mit wechselnden Positionen fahren wir jeweils im Windschatten des anderen, sodass wir die Strecke relativ gut bewältigen. Auf die Idee, diese Straße entlangzufahren, sind nicht nur wir gekommen! Seit dem Franzosen Alex in Tirana, begegnen wir nach langer Zeit mal wieder Radreisenden, diesmal ein österreichisches Paar. Aus der Gegenrichtung kommend, warnen sie uns vor, dass es einkaufstechnisch eine laaange Durststrecke in Kroatien gibt, wo wenig Hotels, Restaurants und dergleichen zu finden sind. Wir tauschen uns noch kurz weiter aus und stellen fest, dass sie nach Athen fahren wollen, ein witziger Zufall. Nach guten 90 Kilometern Gegenwind sind wir geplättet vom Tag und finden einen Campingspot etwas abseits der Straße auf einem Feldweg. Durch übel richenden Schlamm und einer Menge Müll gelangen wir dort hin. Insgesamt ist es nicht der schönste Ort zum Campen, doch wir haben beide wenig Lust, noch weiter zu suchen.

Nachdem das Gemüse vor sich hin köchelt, das Zelt in noch etwas feuchtem Zustand aufgebaut ist und ein Lagerfeuer bereit steht, lehnen wir uns entspannt zurück. Wir hoffen auf eine trockene Nacht und hoffentlich weniger Wind am morgigen Tag!

Das Feuer brennt! Leider nur kurz, denn viel mehr als vertrocknetes Schilf und Maisstoppeln vom Feld können wir nicht auftreiben.

Dienstag: Die erste Licht dringt in unser Zelt und lässt uns wie gewohnt um halb sieben aus unseren Schlafsäcken kriechen. Als wir das Zelt öffnen und erwartungsvoll in den Himmel blicken, werden wir leider von einem dicht bewölkten Himmel enttäuscht, der nur so nach Regen riecht. Nachdem wir alles wieder an den Rädern verstaut haben, geht es die 500 Meter schlammigen Feldweg zurück zur Straße. Was am Abend schon bei Vincents Schutzblech für Schwierigkeiten gesorgt hatte, macht jetzt Leon zu schaffen. Sein hinteres Schutzblech nimmt den Schlamm nur geradezu gierig auf, sodass das Hinterrad komplett blockiert.

Unser Nachtlager inmitten von Feldern war offensichtlich direkt neben einer inoffizielen Müllkippe, dies bestätigte auch der von Leon beschriebene „einzigartige“ Geruch.
Nach einer kleinen Stochereinheit mit einem Stock rollt Leons Hinterrad wieder anstandslos.

Nach den ersten Kilometern stoppen wir in einem kleinen Ort und besorgen uns in einem winzigen, aber super sortierten Laden einen Liter Joghurt. Liter deshalb, weil der Joghurt hier flüssig in Flaschen verkauft wird, eine Art Trinkjoghurt. Den Rest für ein ausreichendes Müsli haben wir noch dabei und machen es uns so auf einer Bank gemütlich. Als wir unser Zeug gerade wieder zusammenpacken, kommt eine alte Frau des Weges gelaufen, sie hatte uns schon eine ganze Weile von der anderen Straßenseite aus beobachtet. Interessiert erkundigt sie sich auf serbisch und so können wir ihr leider nur mit wenigen Wortfetzen beibringen was wir hier machen und wo wir herkommen. Zum Abschied winkt sie uns ganz freudig zu und uns kommt ebenfalls ein fröhliches Lächeln übers Gesicht.

Unser Frühstücksspot unterm Baum. Im Hintergrund die für diese Region typisch prunkvollen Fassaden der einfachen Wohnhäuser.

Unsere Strecke führt durch viele Felder und immer wieder sehr lang gestreckten Orte, die neben der Hauptstraße kaum andere Straßen haben. Das ist eine uns sehr willkommene Abwechslung zur etwas öden platten Landschaft zwischen den Orten. Außerdem haben die Orte den Vorteil, dass der heute schräg von vorne kommende Gegenwind deutlich abgebremst wird.

Fast in jedem Ort fällt uns die immer gleiche Bauweise der Vorgärten inklusive eines kleinen Kanals auf, der das Regenwasser ableitet.

Trotz kräftezehrendem Gegenwind kommen wir einigermaßen gut voran und sind so gegen 11 bereits im letzten Ort vor der Grenze zu Kroatien. Hier denken wir an den Tipp der Österreicher von gestern und decken uns mit so viel Essen ein, dass man denken könnte, hinter der Grenze würde eine einsame Wüste beginnen.

Essen genug für die nächste Sahara-Durchquerung.

Kurz stoppen wir noch bei einer Wechselstube um unsere restlichen serbischen Dinar in die ersten kroatischen Kuna umzutauschen. Gerüstet für das neue Land fahren wir die letzten Kilometer bis zur Grenze. Dort angekommen müssen wir erstaunlich lange warten, da die Grenzbeamten einen Reisebus anscheinend etwas genauer unter die Lupe nehmen. Kein Wunder, denn hier ist einer der vielen Eingänge die die heiß begehrte EU. 

Nicht zu übersehen, wir sind wieder in der EU.

Wir können wie gewohnt ohne Probleme die Grenze überqueren und fahren voller Vorfreude auf unser achtes Land mit Schwung noch knapp eine Stunde bis zur Mittagspause. Auf dem Weg kommen wir selbst in kleinen Ortschaften an offenen Läden vorbei und fragen uns, ob es wirklich nötig war so viel Essen aus Serbien zu importieren. Doch ärgern darüber tun wir uns auf keinen Fall, denn wir haben mal wieder viele Leckereien in der Bäckerei gekauft. Auf einer leeren Bank vor einem geschlossenen kleinen Supermarkt suchen wir Zuflucht vor dem Wind und packen unser Festmahl aus. Nach einer Weile gesellt sich ein alter Mann zu uns, der uns anfangs noch interessiert auf kroatisch ausfragt. Doch da wir leider genauso wenig verstehen wie bei der Frau heute morgen, bleibt uns nur freundliches zuhören. Wir schlagen uns genüsslich weiter unsere Mägen voll während der Mann neben uns auf der Bank eine Zigarette nach der anderen raucht und zwischendurch stark hustend einen Schluck vom selbstgebrannten Schnaps nimmt.

Unsere klassische Stärkung in der Mittagspause, Brot mit Käse und Rohkost.
Mit langer Hose und drei Jacken lassen wir uns immer noch leicht fröstelnd auf der Bank nieder.

Nach einer Stunde essen unserer gesamten in Serbien gekauften Vorräte sind wir so randvoll, dass wir am liebsten erst ein Verdauungsschlaf einlegen würden. Doch das frische Wetter und der nicht weichend wollende Mann drängen uns zu Weiterfahrt. Wir kommen gut voran, das Essen hat neben einem schweren Bauch einen angenehmen Energieboost hinterlassen. Nach 20 km kommen wir in die 30.000 Einwohner Stadt Vinkovci, wo wir einmal mehr erstaunt über die weitreichenden deutschen Einflüsse erst in einem DM und dann in einem Lidl fürs Abendessen einkaufen.

Unterwegs gilt es eine Bahnstrecke zu überqueren, dessen Bahnübergang still gelegt wurde. Doch bei den hier sehr langsam fahrenden Zügen und der guten Sicht haben wir keine Bedenken und hiefen die Räder etwas mühselig über die Schienen.

Noch gut eine Stunde fahren wir, um unser angepeiltes Tagesziel von 90 km zu erreichen. In dem ebenfalls sehr lang gestreckten Ort Stari Mikanovci schauen wir uns schließlich nach einer geeigneten Stelle zum zelten um und werden zwischen zwei Häusern unter Bäumen fündig. Allerdings wollen wir zunächst noch die Nachbarn fragen, ob sie etwas gegen unseren Nächtigungsplatz haben. Wir klingeln bei einem der beiden Häuser und eine alte Frau kommt heraus. Als wir sie auf Englisch ansprechen, winkt sie gleich ab und führt uns zu dem anderen Nachbarhaus. Dort werden wir von einer Familie mit drei Generationen begrüßt, und mit der 2. Generation können wir uns in gebrochenem Deutsch verständigen. Wie wir später erfahren wird hier in vielen Grundschulen noch als erste Fremdsprachen Deutsch gelehrt, zurückzuführen auf die kommunistische Vergangenheit des Landes.
Nachdem wir uns kurz ausgetauscht haben und ein okay für die schöne Wiese zum zelten bekommen haben wollen wir uns gerade zum gehen abwenden, als wir gefragt werden ob wir nicht etwas trinken wollen. Wir sagen dankend zu und verbringen so die Abendstunden bei dieser überaus netten und interessierten Familie. Auf den ersten Willkommensdrink folgt ein Kaffee und frische Kirschen aus dem Garten. Danach wird der Aufenthaltsort nach drinnen verlagert und es gibt warmes Abendessen zusammen mit den zwei und fünf Jahre alten sehr energiegeladenen Kindern der Familie.

Leckeres Abendessen mit der Schwiegertochter des Hauses.

Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile über die uns fremden Traditionen dieser Region Kroatiens und bekommen ein paar Lieder auf einem Tamburica (ein für Kroatien typisches Zupfinstrument) vorgespielt und zum Abschied wird uns zu allem Überfluss auch noch eine CD des ortsansäßigen traditionellen Musikvereins geschenkt. Da es mittlerweile schon spät geworden ist, verabschieden wir uns vermeintlich vorerst und werden noch zum Frühstück am nächsten Morgen eingeladen.

Ein bestens geeigneter Campingplatz geschützt unter Bäumen direkt neben dem Haus der netten Familie.

Nachdem unser ziemlich nasses Zelt aufgebaut ist kommt Leon auf die grandiose Idee unsere EU-Rouming inklusiven Verträge mal auszunutzen und zu Hause einen Überraschungsanruf zu machen. Wir haben beide Glück und bekommen bei bestem Empfang bekannte Stimmen auf dem Handy zu hören. Eine knappe Stunde telefonieren wir so, überglücklich darüber sich nach langer Zeit mal wieder mit vertrauten Menschen ungestört länger unterhalten zu können. Als wir dann beide das immer noch nasse Zelt beziehen wollen kommt ein Teil der Familie von vorhin mit Taschenlampen vorbei, um sich unser Nachtlager anzuschauen. Mitleidig wegen der nassen Behausung bieten sie uns an, dass wir es uns doch bei ihnen in der Gerage gemütlich machen können. Diesen Vorschlag finden auch wir nicht schlecht und schieben die Räder wieder zurück zum Haus, lediglich das Zelt lassen wir zum trocknen über Nacht stehen. Die Garage entpuppt sich als ein noch nicht ganz fertig gestellter Anbau des Hauses, in dem diverse Dinge unter anderem auch Fahrräder abgestellt sind. Mit einem Glücksgefühl im Bauch mal wieder auf so gastfreundliche Menschen gestoßen zu sein, breiten wir unsere Isomatten aus und sind auch schon bald im Schlaf versunken.

MittwochIn der Garage ließ es sich gut schlafen! Nachdem wir uns wieder einigermaßen sortiert haben, bauen wir das Zelt ab, das zum ersten Mal seit einer Woche wieder komplett trocken ist! Zudem haben sich die Wolken verzogen und es sieht nach allerbestem Wetter aus, was Vincent schon prophezeiht hat („In Kroatien ist das Wetter immer gut..“). 

Der Spot für die Nacht… alles ist wieder trocken!
Der Morgen ist noch etwas frisch, doch jetzt schon ist die Sonne zu sehen!

Die Familie, in deren Garage wir geschlafen haben, bietet uns ein sehr üppiges Frühstück an, mit gekochten Eiern der eigenen Hühner, Brot, Rohkost und allem drum und dran. Mit unverschämt guter Laune, die uns den ganzen Tag begleitet, können wir heute losfahren. Danke für so viele tolle Menschen!

Stari (Alt) Mikanovci, einer der schönen Orte, der uns in Erinnerung bleiben wird.

Durch viele langgestreckte Orte, ähnlich denen vor der Grenze, fahren wir den ganzen Vormittag. Die Fassaden der Häuser sind zwar nicht mehr ganz so schick, doch die Gärten sind dafür deutlich schöner. Zwischen den Ortschaften sind nicht mehr nur Felder, sondern auch viele (kleine) Waldflächen, die uns den Wind abhalten. In strahlendem Sonnenschein, mit Ausblick auf kleine Hügel und Felder, fährt es sich wesentlich angenehmer! Wir merken so richtig, wie die zunehmend drückende Stimmung der letzten Tage von uns abfällt.

Auf einer Brücke, die über die Autobahn führt, kommen uns zwei Argentinier entgegen, die ebenfalls auf dem Rad unterwegs sind. In Zagreb gestartet, wollen sie über Belgrad, Sarajevo und Tirana auch nach Athen fahren. Lustig, denn die beiden Österreicher hatten das gleiche Ziel 😉 .

In so gut wie jedem Garten steht eines dieser Türmchen, bei denen es sich um Räucherkammern handelt. Traditionell werden hier Schweine geschlachtet und für das ganze Jahr haltbar gemacht. Wieder einmal ist die einheimische Küche sehr fleischlastig, was für uns jedoch kein großes Problem darstellt. Vegetarische Kost ist überall aufzutreiben.

Geradezu bergig wird es! Von so viel plattem Land sind wir sehr verwöhnt, weshalb wir bei einem 30-Meter-Anstieg schon ins Schnaufen kommen.

Es radelt sich beschwingt bis zum Mittag. Früher als sonst erreichen wir den Ort unserer Pause. In Slavonski Brod finden wir eine sonnige Bank in einem Stadtpark. Während wir da sitzen und Energie tanken, kommen eine Menge Leute vorbei. Drei ältere Herren sprechen deutsch, einer jüngerer englisch. Viele alte Leute haben lange in Deutschland gearbeitet und bekommen sogar eine deutsche Rente, von der sie hier sehr gut leben können. Einer der Männer gibt uns den Tipp, bei einer Kirche zu fragen, ob man dort das Zelt aufschlagen kann. Darauf sind wir bisher noch nicht gekommen.. Im Nachhinein leuchtet uns das jedoch ein.

In einem Café dehnen wir unsere Pause noch ziemlich aus. Genug Zeit zum verdauen diesmal.. Die Besitzerin des Cafés ist sehr interessiert an unserer Radtour und meint, dass nicht viele Touristen den Weg hierher finden, da sich alles in der Küstenregion ballt (von der Kroatien wirklich viel hat).


Sehr spät und gut ausgeruht steigen wir wieder auf die Räder. Während wir einen Fotostop einlegen, werden wir von einer Gruppe von Rennradfahrern überholt, die uns anfixt, ein bisschen zu heizen. Diese Rennradler fahren zunächst sehr gemütlich (wie es scheint), sodass wir lange in Sichtweite bleiben. Jedoch haben sie keine 50 Kilo Gepäck, weshalb wir es selbst mit 40 Sachen nicht schaffen, sie zur Gänze einzuholen. Nach fast 30 Kilometern, die wir in einer Stunde gefahren sind, geben wir es auf und halten stattdessen Ausschau nach einer Kirche, wo wir dem Tipp von heute Mittag folgen wollen.


In Nova Kapela halten wir schließlich an, wo eine sehr schöne katholische Kirche steht, die von einer herrlichen ebenen Wiese umgeben ist. Perfekt zum Campen, was uns auf Nachfrage beim Pastor auch gestattet wird. Obendrein werden wir auch zum abendlichen Gottesdienst eingeladen, der wenig später stattfindet. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen! An Ostern in Tirana hatten wir uns eigentlich schon vorgenommen, in einen Gottesdienst zu gehen, was aber nicht mehr geklappt hatte. Es ist eine ganz neue Erfahrung, denn wir verstehen kein Wort! Erst als uns der Pastor auf deutsch in der Kirche und in Kroatien willkommen heißt, können wir freudig etwas erwidern. Trotz allem ist es schön, dem kroatischen Gesang und Gebet bloß zuzuhören.
Nachdem wir die Kirche wieder verlassen haben, werden wir sehr energisch von einer Frau zu sich nach Hause eingeladen, wo wir von ihrer Familie zum Essen eingeladen werden (zwar bestellen wir Pizza, jedoch ist das trotzdem super nett!). Ana, die Tochter, spricht gutes Englisch, weshalb wir uns sehr nett unterhalten können. Es ist ein lustiger Abend und wir gehen müde zu unserem Zelt zurück, wo wir alle unsere Sachen zum ersten Mal für längere Zeit unbeaufsichtigt gelassen haben (alles im Zelt verstaut).

Halbzeit in Belgrad! #Tag 1 bis 30

Wie viele Eindrücke haben wir bereits gesammelt? Sie sind unzählbar! Es ist unglaublich, dass wir bereits seit einem Monat auf den Rädern sitzen.. Da wird es Zeit nochmal ein dickes Dankeschön auszusprechen, für all die tollen Nachrichten und Kommentare, die uns auf unterschiedlichstem Wege erreichen! Wir freuen über jeden, der/die unsere Tour mitverfolgt!

Sonntag: Der Tag beginnt verregnet. Leon, der früher wach ist als Vincent, macht sich auf durch die umliegenden Straßen, um das Frühstück einzukaufen. Es ist sehr wenig los, da es Sonntagmorgen ist und wie aus Eimern schüttet. Trotzdem ein Hochgenuss, denn die Stimmung ist einfach einmalig.

In den Straßen verteilt sind überall Persönlichkeiten an den Hauswänden zu entdecken..

In einem Supermarkt, der auch am Sonntag durchgehend geöffnet ist, wird er fündig. Frisches (aufgebackenes) Brot und Frischkäse… den Rest haben wir noch im Gepäck. Während Leon sich wieder im Hostel eingefunden hat und anfängt zu frühstücken, steht auch Vincent auf.

Um 11 Uhr soll es eine Free Walking Tour vom Hostel aus geben, doch die fällt heute leider aus. Uns wird stattdessen eine öffentliche Tour vorgeschlagen, für die wir uns sehr beeilen müssen, um sie nicht zu verpassen. Gerade als die Gruppe von Touris losmarschieren will, kommen wir am Treffpunkt vor dem Nationalmuseum an. Hier beginnt eine Tour durch unscheinbar aussehende Straßen, wo wir an den „geheimen“ Sehenswürdigkeiten vorbei kommen, die man vermutlich sonst leicht hätte übersehen können. Zu Beginn werden wir zu einer Runde Rakija eingeladen, ein selbstgebrannter Schnaps, der traditionell jedem Besuch (normalerweise zu Hause) angeboten wird.


Nachdem wir die Führung mit einem Ausblick über die Stadt beendet haben, orientieren wir uns Richtung Essen, bevor wir uns noch auf eigene Faust zu ein paar Orten aufmachen, die unser Interesse geweckt haben. Die Pause wird doch etwas ausgedehnter, weil man hier und da noch mit den anderen reiselustigen Leuten um sich herum ins Gespräch kommt. Um kurz vor 6 stiefeln wir los (Leon flipflopt eher). Unser Ziel ist der Dom des heiligen Sava, der der größte in Südosteuropa ist und der erst 2016 nach langem Bausstop fertiggestellt wurde. Innen sind die künstlerischen Arbeiten noch mitten im Gange, denn verkleidet sollen die Betonwände mit aufwändigen Mosaiken und Fresken werden. Von einem Aufseher werden wir auf den sehr unscheinbaren Durchgang zur Krypta aufmerksam gemacht. Leon meint noch: „Die Krypta ist oft echt beeindruckend.“ 

Man erwartet, dass es so trostlos weitergeht…

Doch was uns unten erwartet ist jenseits unserer Vorstellungen und einfach nur gigantisch! Zunächst verwandeln sich die Betonwände in Marmor, wie man es vielleicht von einer Toilette eines schicken Restaurants kennt (vielleicht ein schlechter Vergleich, uns sei verziehen). Um die Ecke öffnet sich ein Vorhang, der prunkvoll verzierte Säulen, mit Blattgold und Fresken verzierte Decke und Wände.. eigentlich unbeschreiblich…

Ungefähr 20 Minuten bewegen wir uns kaum von der Stelle und bestaunen diesen Ort. Wir wollen jedoch auch noch zurück ins Hostel und die wunderbar ausgestattete Küche benutzen! Für den Rückweg wählen wir eine Route vorbei an einigen monumentalen Bauten…

Die St. Marks Church.. etwas kleiner als der Dom, jedoch nicht viel älter und ebenfalls sehr beeindruckend.. im Inneren wird ebenfalls noch an der Einrichtung gefeilt..

Vor der Kirche verläuft sogar einer der Europaradwege! (EuroVelo 6)
Mit Bannern wie „WE WILL NEVER FORGIVE YOU FOR KILLING OUR CHILDREN“ werden die kosovarischen UÇK-Kämpfer und die NATO als Terroristen und deren Mittäter dargestellt.. zwar wussten wir, dass sich Serbien und Kosovo noch immer nicht auf einer Wellenlänge befinden, jedoch ist es ein krasser Gegensatz, die UÇK hier so anders dargestellt zu sehen, die im Kosovo als Helden verehrt werden.

Mit vielen neuen Eindrücken, machen wir eine Resteverwertung und bereiten aus viel unnötigem Balast (eine angebrochene Packung Nudeln und ein viel zu großes Glas mit Soße) ein leckeres Mahl zu. Nebenan wird ein Filmabend veranstaltet, jedoch mit einem Film, der uns nicht wirklich interessiert, weshalb wir uns zurückziehen und unser Gepäck sortieren, was sich jedoch kaum verstreut hat, da wir noch andere Mitbewohner im Zimmer haben…

Das Hedonist-Hostel ist unsere sehr schöne Unterkunft in Belgrad gewesen!

Als kleines Extra haben wir hier ein paar Funfacts aufgelistet… 😉

Gefahrene Kilometer: 2032

Höhenmeter: 24279

Etappen über 100 Kilometer: 5 (die längste Etappe von Fier nach Tirana mit 126km)

Zeit auf dem Sattel: 126 Stunden (Gerade mal ein bisschen mehr als fünf Tage reine Fahrzeit.. keine Ahnung warum wir einen Monat dafür gebraucht haben…)

Verbrauchte Energie: Unser GPS zeigt 58688 verbrauchte kcal an, was zunächst nicht viel erscheint – knapp 2000 pro Tag, jedoch ist das auf die reine Fahrzeit auf dem Rad bezogen… (Wie uns schon mitgeteilt wurde, erzählen wir gerne vom Essen.. das ist aber auch wirklich wichtig! 😀 )

Übernachtungen: 9× Wildcamping, 1× Raftinggelände, 1×Campingplatz (11Nächte im Zelt), 10×Hostel, 1× in einer luxeriösen Bauruine in Albanien, 5×Hotel, 2× haben wir in Häusern bei Einheimischen geschlafen (in Albanien und im Kosovo)

Unfälle: Ein kleiner Zusammenstoß von Vincent mit einer Glasscheibe, das Resultat war ein verbogenes Schutzblech und ein Riss in der Jacke. Und Leons Sturz wegen überhöhter Geschwindigkeit in einer Kurve, wobei er mit leichten Schürfwunden am Bein und einem verbogenen vorderen Laufrad davonkam, was sich zum Glück noch richten ließ…

Platte Reifen: KEINER!!!

Vernichteter Brotbelag: 3 Kilo Nuss-Nougat-Creme, 2 Kilo Erdnussbutter, zwei Gläser Honig (regional und sehr lecker!), zwei Gläser Pflaumenmus, zig Variationen von Käse (ca. 8 Kilo), 

Regentage: drei komplette Tage mit Niederschlag (zwei mit Regen, einer mit Schnee und Regen), sonst kurze Schauer oder Gewitter in der Nacht

Pausentage: Tirana, Skopje (2), Rožaje, Sarajevo, Belgrad

Geschossene Fotos: 2702 plus mehr als zwei Stunden Videomaterial der Actioncam (die bewegten Bilder werden wir exklusiv dem Fernsehen und anderen digitalen Medien zur Verfügung stellen)

Gelesene Buchseiten: 53…. zusammen… (wir lesen an sich beide ausgesprochen gerne, doch die Tour ist eine ganz andere Situation. Es passiert so viel, dass wir sehr mit Land und Leuten beschäftigt sind! Und so ein Blog schreibt sich nicht von allein 😉 )

Verbrauchter Spiritus: 1,5 Liter

Naturgewalten in Serbien… #Tag 28 und 29

So nah an einer Grenze haben wir wohl beide noch nicht übernachtet.. Die Drina bildet nicht nur heute die Grenze zwischen Bosnien und Serbien, sondern bildete auch einen Teil der Grenze zwischen dem westlichen und östlichen römischen Imperium, wie uns die netten Herren im gestrigen Café erzählt haben. Es ist gewaltig, wie weit die Spuren der Römerherrschaft reichen…

Freitag: In einem erstaunlich trockenen Zelt wachen wir auf. Heute Nacht hat es wieder einmal gewittert, wovon wir aber nur recht wenig mitbekommen haben. Vom Fluss her ist dichter Nebel aufgestiegen, der leider auch wieder unser Zelt durchnässt. Deshalb hoffen wir auf so gutes Wetter wie gestern und packen Schlafsäcke, Luftmatratzen und das Zelt erneut in nassem Zustand ein.

Außer plattem Gras hinterlassen wir keine Spuren auf dem Feld.

So früh, wie noch selten auf der Tour, fahren wir heute los. In einem kleinen Laden kaufen wir Joghurt (sehr flüssig) und lassen uns auf einer Mauer vor einem schön gepflegten Garten fürs Frühstück nieder. Der Hausbesitzer erbarmt sich dann, und lädt uns ein, auf seiner Terasse Tisch und Stühle zu benutzen. Das nehmen wir gerne an.

Erst Zubereitung des Frühstücks auf der Mauer und dann die Einnahme auf der schönen Terasse im Hintergrund.

Den Wind im Rücken und eine Fahrbahn, die eben ist, das wünscht sich jeder Radfahrer! Es ist leider noch sehr bewölkt, jedoch hindert uns das nicht, mit 25km/h und mehr die Landstraße entlangzubrausen. 

Immer wieder überqueren wir diese Bahngleise. Man glaubt es kaum, aber diese Gleise sind noch in Betrieb! Wir können unseren Augen auch kaum glauben, als uns ein Güterzug mit gefühlt 20 km/h entgegen kommt.

Die Landschaft ist wenig einladend, ab und an sind jedoch schmuckvolle Kirchen zu betrachten. An einer von ihnen halten wir an, um sie von Innen zu begutachten. Als wir auf den Innenhof fahren, kommt sogleich der Pfarrer und seine Frau heraus. Beide sprechen eine gut verständliche Mischung aus deutsch und englisch, auf der sie uns die Fresken an den Wänden erläutern. Es ist eine der vielen orthodoxen Kirchen in Serbien und zum Abschied bekommen wir beide ein kleines Holzkreuz an einer Kette geschenkt.

Beglückt von der Freundlichkeit fahren wir weiter. Unser Track führt uns plötzlich von der Landstraße ab. Als der Asphalt nach kurzer Zeit aufhört und in einen Feldweg übergeht, beschließen wir diesmal früh, umzukehren und die Landstraße weiterzufahren, denn auf ein Abenteuer wollen wir uns heute beide nicht einlassen. 

An dieser Stelle beschließen wir lieber frühzeitig umzukehren, zurück zur Bundesstraße.

Nach wie vor in gutem Tempo fahren wir bis nach Šabac (Schabotz), um dort unsere Mittagspause einzulegen. 75 Kilometer sind wir dank herrlichem Rückenwind schon gefahren! Wir bestellen uns jeder eine 50cm Pizza – zusammen bezahlen wir umgerechnet gerade mal 6,50€ – die passen auch geradeso in uns hinein! 😀

Mit so vollen Mägen müssen wir ersteinmal ausgiebig rasten. Es beginnt zu regnen und wir nutzen die Zeit und das WiFi von der Pizzaria, um den neuen Blogeintag hochzuladen. Gegen fünf Uhr brechen wir auf, um noch ein kleines Stück zu fahren. Entlang einer stark befahrenen Bundesstraße geht es von hier in Richtung Belgrad. 

Eine ungemütliche Regenfront kündigt sich an.

Da wir eine Regenfront auf uns zukommen sehen, beschließen wir nach 20 Kilometern anzuhalten und schlagen das Zelt wahllos auf einer Wiese auf. Jedoch sind wir zu spät…  der Wind frischt auf und wir werden von einem Schauer erfasst, während wir das nasse Zelt aufbauen. Es ist definitiv der bisher ungemütlichste Abend. Da der Regen bald aufhört, beschließen wir ein Lagerfeuer zu machen. Nachdem wir über eine Stunde Reisig zu einer ordentlichen Glut verbrannt haben, fangen auch die nassen Äste an zu brennen, sodass immerhin unsere Hosenbeine wieder trocknen.

Leon erblickt ein blaues Stück Himmel am Horizont, da kommt Freude auf!

Ein kleines Wunder, mit langem Atem hat Leon es tatsächlich geschafft mit Reisig und leicht feuchtem Brombeerranken ein kleines Feuer im Nieselregen zu entzünden.

Im Zelt breiten wir unser Abendessen aus. Es ist zwar noch ziemlich feucht, doch wir haben keine andere Wahl. Die Schlafsäcke wärmen auch so noch und darauf kommt es an!

Samstag: Es ist nass.. außen ums Zelt hat sich eine Matschspur gebildet und wir packen mit der Aussicht, heute Abend in Belgrad alles trocknen zu können, sodass wir ganz guter Dinge sind. Ungemütlich sind hauptsächlich unsere Schuhe, in die wir in sehr nassem Zustand schlüpfen.

Der Morgen lässt leider nicht auf baldigen Sonnenschein hoffen.

Um den Spot schnell hinter uns zu lassen, fahren wir ersteinmal ein Stück zum nächsten Supermarkt. Das perfekte Radlerfrüstück gibts heute geschützt an einer überdachten Bushaltestelle. Da heute Samstag ist, sind auch keine Schüler unterwegs, die die letzten Tage zu Hauf auf Busse gewartet haben.

Unsere Reihe der außergewöhnlichen Frühstücksorten erweitert sich um diese verlassene Bushaltestelle.

Den Track haben wir ja gestern schon links liegen gelassen und fahren stattdessen an der Bundesstraße weiter, die an dem Fluss Save entlangführt. In Belgrad mündet dieser dann in die Donau. Wir wissen nicht genau, wie weit es noch bis zur Hauptstadt Serbiens ist, doch wir fahren so oder so recht schnell, da die ganzen Autos nicht gerade eine beruhigende Wirkung haben. Es ist erstaunlich, wie viel schneller man als Radfahrer auf einer stark befahrenen Bundesstraße fährt, als auf einem leeren Radweg. Einen netten Nebeneffekt hat diese Wirkung, wir lassen die Bundesstraße schneller hinter uns.

Wir fahren direkt an einem Kohlekraftwerk vorbei und fragen uns wofür man soviel Energie braucht, wenn doch eine Solarladestation und etwas Spiritus zum leben ausreicht. Natürlich wissen wir im Hinterkopf die Antwort auf diese doch leider zu kurz gedachte Frage…

Auf dem Weg kommen wir an einer in Baugerüst stehenden serbisch-orthodoxen Kirche vorbei und gehen im ersten Moment von einer Renovierung aus. Doch als wir uns die Kirche mitten auf einer grünen Wiese gelegen näher anschauen, stellen wir fest, dass sie sich gerade erst im Bau befindet. Als wir einen Blick hinein werfen und Handschuhe sowie Getränke sehen, sind wir erleichtert, dass es sich nicht um eine Bauruine handelt. Irgendwie begeistert uns diese Kirche, denn erstaunlich selten sieht man, wie eine Kirche in diesem alten Baustil komplett neu errichtet wird.

Weiter fahren wir auf der Bundesstraße, die eine sonst recht unspektakuläre Landschaft um sich herum ihr eigen nennt. Als wir knapp 20 km vor Belgrad sind, wird der Verkehr immer stärker und wir finden glücklicherweise kurz darauf einen kleine Nebenstraße, die uns auch an unser Ziel bringen soll. Entspannt radeln wir bis Belgrad direkt an der Save entlang und treffen auf immer mehr Rennradfahrer. Nun sind wir uns sicher, dass wir die richtige Alternativroute genommen haben!

Doch einen kleinen Nachteil hat die kleinere Straße. Denn unser Versuch ein schickes Foto vor dem Ortsschild zu schießen scheitert kläglich, da wir einfach keines entdecken können. Als wir schließlich am Rand der Metropole einfahren, kommt neben uns ein Rennradfahrer entlanggeschossen, der sich interessiert nach unserer Reise erkundet. Daraufhin meint er, er würde gerade zu einem nah gelegenen Radladen fahren, wir sollten doch einfach mitkommen. Wir versuchen unser bestes, mit unseren 50 Kilo-Kolossen am Carbonflitzer dran zu bleiben und tatsächlich sind wir kurz darauf angekommen. Der sehr freundliche Schrauber vom Fahrradladen erkundigt sich nach unseren Rädern, ob es irgendwas gibt, was repariert werden müsste. Doch uns fällt nichts wirklich ein, nur Vincent kommt auf seine Actioncamhalterung zu sprechen, welche sich bei einer der Mountainbike-Etappen gelockert hat. Schon ein Luxus, dass mit unseren Bikes nach jetzt schon über 2000 km noch nichts großartiges passiert ist! Aber dazu mehr im nächsten Blogpost, wo wir eine kleine Zwischenbilanz veröffentlichen 😉

Der bestimmt beste Fahrradladen in Belgrad, wir haben hier sogar Magura Bremsbeläge finden können!

Beschenkt mit Kleber für die Actioncamhalterung sowie zwei Paar Socken verabschieden wir uns von dem sympathischen Radladen und fahren die letzten Kilometer auf einer Autobahn-ähnlichen Straße ins Zentrum hinein. Der Rennradfahrer von vorhin hatte uns noch gewarnt vor dem wenig fahrradfreundlichen Verkehr und damit hatte er tatsächlich recht. Von jeglicher Art von Fahrradweg gibt es hier keine Anzeichen, doch dafür brausen wir umso schneller in die Innenstadt. Nach einer Stärkung auf dem Bahnhofsvorplatz machen wir uns auf die Suche nach einem Hostel für die nächsten zwei Nächte, was sich nach dem ersten Eindruck des großen Angebots nicht als schwierig gestalten sollte. Leider war zuvor unser wiederholter Versuch, über die Plattform warmshowers einen Gastgeber in der Stadt zu finden, gescheitert. So machen wir uns auf zu einem Hostel, dessen Flyer wir noch aus Tirana mitgenommen hatten. Doch leider ist dieses schon voll ausgebucht, wie wir bei unserem Besuch dort erfahren.

Leider eine Sackgasse, von diesem bereits ausgebuchten Hostel müssen wir weiter ziehen.

Doch wir bekommen einen Tipp für zwei weitere Hostels in der Nähe, wo wir sogleich vorbei schauen. Beim zweiten haben wir dann Glück und es scheint obendrein noch ein ziemliches gemütliches Hostel zu sein. Wir quatieren uns im Mehrbettzimmer ein und packen alle unsere nassen Habseligkeiten zum trockenen im Innenhof aus. Als wir dann schließlich im Zimmer unsere Taschen auspacken kommt ein Mitbewohner rein und seine Begrüßung lässt uns ahnen wie schlimm unser Geruchszustand sein muss: „It smells like fresh roses here“. Ein wenig beschämt über unsere körperliche Hygiene machen wir uns fix auf unter warmes fließendes Wasser und merken wie gut es nach drei Nächten im Zelt tut. Wir haben einen entspannten Abend und lernen viele nette Reisende kennen, denen der Balkan mit seinen unterschiedlichen Facetten genauso gefällt wie uns. Ein langer Tag geht zu Ende und wir legen uns müde in trockene Betten, ein herrliches Gefühl.

Sarajevo! Blitz und Donner! #Tag 25 bis 27

Nach vielen hohen Bergen sind wir in Sarajevo angekommen. Eine Pause haben wir uns wirklich verdient! Nur zur Info: den größten Teil der Berge haben wir schon hinter uns! Nach wie vor sind wir gut in der Zeit, obwohl uns die Erkältungswelle einiges an Puffer gekostet hat – die gute Nachricht: es scheint, als hätten wir alles kränkeln hinter uns gelassen und können wieder mit voller Power radeln!

Dienstag: Wie gewohnt wachen wir früh auf, obwohl es gestern Abend noch etwas später geworden ist.. Nichtsdestotrotz sind wir munter bei der Sache. Während Vincent noch im Bett liegt, schmeißt Leon den Herd an und beginnt, die zweite Hälfte des Pfannkuchenteigs zu verarbeiten. Es gibt ein Luxusfrühstück mit Bananen-Pancakes und diversen Toppings… Nutella, Pflaumenmus, Honig und Zucker! Dem Vermieter unseres Zimmers passt es nicht, wie wir unsere Wäscheleinen im Flur und Bad aufgespannt haben.. da wir beide einen Großteil unserer Wäsche waschen mussten, haben selbst die Leinen nicht ausgereicht, weshalb wir über alle Türen, Stühle, Heizungen und und und alle unsere Sachen ausgebreitet haben. Das verlagern wir jetzt nach Draußen, wo ebenfalls Wäscheleinen sind, die wir in der Dunkelheit aber übersehen haben.

Seit Tirana ist es das erste Mal, dass wir beide fit genug sind, um uns in der Freizeit ein wenig Kulturprogramm zu Gemüte zu führen und die Stadt anzugucken. Also machen wir uns los, um an einer Free Walking Tour teilzunehmen, wie Leon schon eine in Skopje mitgemacht hat. Als wir am Startpunkt ankommen, müssen wir leider feststellen, dass die kostenlose Führung erst am Nachmittag stattfindet. So machen wir uns auf eigene Faust auf den Weg durch die Stadt. Wir finden einen Buchladen, der wegen des zweiten Feiertags aber nicht geöffnet hat. Morgen wollen wir nochmal hier vorbei fahren, um den sechsten Eintrag in das Anne-Frank-Tagebuch zu bekommen. 
Ein Stück weiter finden wir eine herrliche französische Bäckerei, in der es zum einen leckere Teilchen, zum anderen auch dunkles Brot gibt! Nach den ewigen Weißbrotvarianten ist das ein Hochgenuss! Auf einer Bank neben einem Skateplatz lassen wir es uns schmecken, bevor wir die spektakulären Pipes als Rutsche umfunktionieren.. das bringt eine Menge Spaß! 😀

Vincent in Action.. zur Abwechslung mal nicht auf dem Rad!

Zurück in der Pension, ruhen wir kurz unsere Füße aus (so viel Laufen sind sie kaum noch gewohnt). Dann geht es den Berg hinauf zu einer Art Festungsanlage, von der man über weite Teile der Stadt blicken kann.

Um das Touriprogramm komplett zu machen, suchen wir die Free Walking Tour auf. In den letzten Jahren sind diese Touren immer populärer geworden, da man in der Regel eine gute Führung bekommt und hinterher mit einem Trinkgeld für den Guide nur so viel dafür bezahlt, wie es einem Wert ist. Wir starten die Führung am Schauplatz jenes Ereignisses, wofür Sarajevo so ziemlich jedem bekannt sein sollte. Kronprinz Ferdinand von Österreich-Ungarn wurde hier 1914 bei einem Attentat umgebracht, woraufhin der erste Weltkrieg entbrannte. Nach diesem Exkurs in die Geschichte, laufen wir verschiedene sehenswerte Stationen ab.

Unweit unserer Pension ist das Rathaus gelegen
Vor dem Gebäude der Kunstuni stehen sehr innovative Solarbänke, an denen USB-Anschlüsse zum Handy aufladen angebracht sind.
Die wohl imposanteste Bauruine, die uns bis hierhin begegnet ist.. Hier ist schon eine Weile nichts mehr dran getan worden.
Wie, wo, was weiß OBI? Rechts ist der Hauptkomplex der Universität zu sehen.
Das Ende der Free Walking Tour…

Nach dieser durchaus interessanten Führung suchen wir hungrig ein Lokal auf. Da die traditionell bosnische Küche leider sehr fleischlastig ist, gucken wir uns das wohl vegetarierfreundlichste Restaurant aus, das die Stadt zu bieten hat! Falafel in den unterschiedlichsten Ausführungen, wobei kein Gramm Fleisch serviert wird.
Gesättigt schlendern wir durch die Straßen zurück zur Pension. Es war ein gelungener Tag! Heute wollen wir zeitiger ins Bett, da morgen eine letzte Bergetappe auf uns wartet.

Mittwoch
: Super ausgeruht und topfit sind wir nach der Pause in dieser sehr schönen Stadt! Da wir diesmal auch wirklich alle Sachen aus den Taschen geholt haben, packen wir quasi komplett neu. Das geht dafür aber erstaunlich schnell, sodass wir gegen neun aufbrechen können. Ein paar Dinge haben wir uns noch vorgenommen, bevor wir Sarajevo hinter uns lassen. Zunächst geht es zum Buchladen, den wir uns ausgeguckt haben und der vorwiegend englischsprachige Lektüre im Sortiment hat. Eine sehr nette Verkäuferin steht uns zur Verfügung und sie kennt das Anne-Frank-Tagebuch obendrein sehr gut! Unser Eintrag auf bosnisch ist gesichert…

Unsere Mägen sind noch leer, da kommt uns nur die geniale französische Bäckerei von gestern in den Sinn, wo wir nochmal ordentlich zuschlagen. Brötchen, Croissaints, alles was das Herz begehrt. 

Gestärkt und voller Motivation starten wir die heutige Etappe. Das Höhenprofil lässt sich wie ein Kamel beschreiben. Zwei ordentliche Berge liegen direkt hinter der Stadt, dann geht es abwärts Richtung Serbien. Es ist fast schade, dass die Berge bald hinter uns liegen… eine absolut einmalige Landschaft! 
Der erste Anstieg ist wohl der steilste, den wir bisher hatten! Nach so vielen Bergen in den Beinen fährt sich aber selbst dieser sehr beschwingt. Was uns auffällt ist, dass immer mehr Mülltonnen am Straßenrand und vor den Häusern zu sehen sind. Es gibt anscheinend eine zentrale Müllentsorgung, die in so vielen Teilen des Landes und auch in den vorangegangenen Ländern gefehlt hat. Daumen hoch!

Den ersten Berg hinunter und den zweiten wieder hinauf.. ein sehr bekanntes Schema. Besonders ist nur, was wir noch kaum realisiert haben, dass dies vorerst der höchste Punkt in den nächsten hunterten Kilometern ist. Da kann man glatt eine Mittagspause einlegen.. Nachdem wir gegessen haben, geht Vincent die Wasserflaschen in einem Café um die Ecke auffüllen und trifft dort auf ein lustiges Völkchen. Ein Mann und zwei junge Damen, die ein wenig deutsch aus der Schule können. Zum ersten Mal findet der QR-Code auf der Rückseite unseres Trikots Verwendung (natürlich haben zuvor wahrscheinlich hunderte andere Leute heimlich davon Gebrauch gemacht).

Mit dem Energie-Boost und guter Laune fahren wir entspannt die Abfahrt hinunter. Diese ist aufgeteilt, sodass wir zunächst den kleineren Teil hinabfahren, wo sich eine Straße abwechselnd durch hügeliges Grasland und dichten Wald schlängelt. Da wir die Pause recht spät beendet haben und unser Tagessoll gemütlich erfüllt haben, begeben wir uns auf die Suche nach einem Campingspot, um unser Lager für die Nacht endlich wieder in wilder Natur aufzuschlagen. Kurz hinter einem Ort, der vom Holzfällen lebt – wie viele in der Umgebung – fahren wir von der Straße ab und schieben die Räder einen Hügel hinauf, wo sich eine einigermaßen ebene Fläche befindet. In Sichtweite sind einige Häuser zu sehen, die aber nicht stören sollten. Direkt zwischen ein paar Tannenbäumen und dem Zaun einer Weide schlagen wir das Zelt auf. 10 Meter daneben ist ein großer Ameisenhaufen, weshalb wir unsere Kocheinheit ein ganzes Stück entfernt aufbauen. Während mal wieder Nudeln vor sich hin kochen, beginnt es in der Ferne zu Donnern und man kann den Regen sehen, der ein paar Kilometer vor uns runter kommt.

Als wir gemütlich im Zelt liegen und am einschlafen sind, beginnt es so richtig zu Gewittern. Blitze, dicht gefolgt von Donner. Erst verspätet setzt ein kurzer, aber heftiger Regen ein, der jedoch nicht verhindern kann, dass wir ins Traumland hinübergleiten.

DonnerstagWir wachen in einer feuchten Welt auf. Alles klebt ein wenig und der Schlafsack ist unangenehm nass. Der Grund dafür, über Nacht hat es geregnet und durch den unebenen Untergrund sind wir beide im Schlaf an die Zeltwand gerollt. Doch es hilft alles nichts, wir müssen aufstehen und den nassen Schlafsack sowie das nasse Zelt mit gefühlt doppeltem Gewicht einpacken. Immerhin regnet es nicht mehr und dafür ergibt sich ein mysthischer Blick auf die Hügellandschaft um uns herum.

Leider sehr bitterer Tee, trotzdem gut zum Hände wärmen.

Nach einem ungenießbar bitterem Tee, was vermutlich an der sehr belegten Kanne liegt, rollen wir von dem schön gelegenen Wiesenplatz runter zur Straße. Gleich 200 Meter weiter ist eine Tankstelle, wo wir unsere leeren Flaschen auffüllen können, perfekt! Wir fahren die letzten hundert Höhenmeter hoch und treffen auf dem Weg noch auf zwei Männer, die uns auf Serbisch zu verstehen geben, dass wir gleich oben seien und es dann nur noch bergab und eben bis Belgrad gehe. Zum Abschied bieten die beiden uns noch Zigaretten und einen Schluck aus ihrem Flachmann an, was wir freundlich ablehnen. Wenig später sind wir oben und auf uns wartet eine 30 km lange Abfahrt, erst steiler und dann leicht geneigt neben einem Fluss.

Doch da wir außer dem Schluck bitterem Tee noch nichts gefrühstückt haben, machen wir auf der Hälfte der Abfahrt an einem malerisch gelegenen kleinen Laden halt und kaufen dort Joghurt fürs Frühstück. Den Rest haben wir noch für ein üppiges Müsli und so machen wir es uns auf der gerade neu gebauten Terasse des Ladens/Kneipe mit traumhafter Aussicht gemütlich.

Ein energiereiches Radlerfrüstück 🙂

Mit zufrieden gestellten Mägen geht es weiter bergab, bis der Track des GPS eine kleinere Straße bergauf weg von der Hauptstraße führt. Wir schauen uns ein wenig misstrauisch an, wo uns dieser Weg wohl hinführen mag und kommen auf das Ergebnis, dass dieser anscheinend eine Abkürzung der Hauptstraße gegenüber darstellt. So fahren wir erst noch auf Asphalt und später auf einem immer schlechter werdenden Forstweg immer tiefere in den Wald hinein. Da wir schon länger keine Mountainbike-Etappe mehr gefahren sind und sich in uns wieder die Abenteuerlust meldet, welche den gesunden Menschenverstand eines Fahrradfahrers vollkommen überdeckt, stehen wir schließlich vor einem mit unseren Rädern unüberwindbarem kleinen Tal.

Mountainbike 2.0
Hier führt unser vermeintlicher Track uns mitten durchs Unterholz. Eindeutig kein weiterkommen für uns mehr…

Der Weg, der zuvor noch ein Forstweg war, hat sich in ein gerade so zu erahnenden Pfad verwandelt, der sich auf einmal im Wald verläuft. Wir stehen vor der Wahl querfeldein unsere Räder für eine unbestimmte Zeit zu schieben oder die ca. 4 km wieder zurück zur Hauptstraße zu fahren. Schweren Herzens und wieder mit etwas mehr Verstand beseelt entscheiden wir uns für die vernünftige Lösung der Hauptstraße und bereuen diese Entscheidung auch kein bisschen.

Auf dem Rückweg zur Hauptstraße.
Zum Glück hat Vincents Actioncam eine wasser- und schmutzfeste Hülle.

Mit vom Schlamm gekennzeichneten Rädern gleiten wir, glücklich wieder auf glattem Untergrund zu sein, die gesamte Strecke bis zur Stadt Zvornik an der Grenze zu Serbien flussabwärts. Der Fluss, an dem wir zunächst entlang fahren, ist der bisher dreckigste Strom, den wir auf unserer Tour gesehen haben. Anscheinend spült er durch den Regen der letzten Tage, wie wir später erfahren, allenmöglichen Dreck mit runter.

Doch 15 km vor Zvornik mündet der kleinere Fluss in einen größeren Namens Drina, welcher deutlich saubereres Wasser mit sich führt. Ein beeindruckendes Farbspiel ergibt sich an der Mündung, wo sich dreckiges und sauberes Wasser vermischen.

Um kurz nach zwei erreichen wir schießlich Zvornik, wo wir einen Supermarkt aufsuchen um uns fürs Mittagessen einzudecken. Leon kauft ein, während Vincent draußen bei den Rädern wartet. Mit dieser bewährten Methode wechseln wir uns immer mal wieder ab, welches zum einen den Vorteil hat, dass die Räder beaufsichtigt sind und zum anderen müssen wir uns nicht lange absprechen was eingekauft wird. Denn das entscheidet einfach immer der Einkäufer, je nachdem wonach ihm gerade ist. 

Lunchtime in Zvornik, direkt an der serbischen Grenze.

Nach einer gemütlichen Mittagspause in der Sonne wollen wir uns gerade noch in ein Café setzen um dort das Wifi zu nutzen, als wir von zwei Herren an ihren Tisch gewunken werden. Einer der beiden lädt uns in gutem Englisch zu einem Kaffee ein und meint selbstverständlich: „Thatˋs part of our culture, you know“. Wir freuen uns beide über die nette Begegnung und haben ein interessantes Gespräch mit den Beiden. Es stellt sich heraus, dass sie Professoren an der Universität von Sarajewo sind, welche einen Außenstandort für Chemie hier in Zvornik hat. Das liegt daran, wie wir erfahren, dass im Nachbarort die größte Fabrik von Aluminiumoxid Europas steht, von wo aus dieses Material zur Weiterverarbeitung nach ganz Europa exportiert wird. Außerdem bekommen wir einen Eindruck davon, welch einen großen Einfluss Serbien auf seine umliegenden Nachbarstaaten hat und wie viele Serben in Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Kroatien und selbst in Mazedonien leben. Noch viele weitere sehr spannende Dinge erfahren wir von den beiden netten Professoren, bis sie schließlich los müssen.

Die freundlichen Professoren, auch wenn sie auf dem Foto vielleicht nicht so angetan schauen 😀

Wir machen uns auch bald weiter und als wir Zvornik verlassen, ist es schon nach fünf Uhr. So beschließen wir kurz hinter der Grenze zu Serbien nach einem geeigneten Schlafplatz Ausschau zu halten. An der serbischen Grenze werden wir leider wieder von einem strengen Grenzbeamten davon abgehalten, vor dem durchaus dazu einladenden großen Willkommensschild ein Foto zu schießen. Doch davon lassen wir uns nicht die Laune verderben und so finden wir wenig später keine 20 m vom Ufer entfernt einen gemütlichen Schlafplatz inmitten einer grünen Wiese.

Wir breiten die nassen Schlafsäcke in der untergehenden Sonne aus und spannen das Zelt zum trocknen auf, bevor wir anfangen zu kochen. Heute steht Reis mit Gemüse auf dem Speiseplan. Und zum Dessert eine super leckere Schokolade, die Leon vorhin zum halben Preis ergattert hat. Satt und glücklich schon im siebten Land unserer Reise zu sein, legen wir uns wenig später nach Sonnenuntergang in halbnassen Schlafsäcken zur Ruhe.

Vincent beim Blogschreiben in der Dämmerung.
Ohne Worte…

Alles was bergauf geht, geht auch wieder bergab! #Tag 23 und 24

Sonntag: Alle Fenster sind beschlagen, als wir aufwachen. Kein Wunder bei so vielen nassen Klamotten. Der größte Teil der Sachen ist gut getrocknet, nur eine Jacke von Vincent und dummerweise auch unsere Schuhe müssen wir noch klamm anziehen.

Bei der etwas verdutzten Hoteldame kaufen wir einen Liter Milch für unser Müsli, denn auf das standardmäßige Omelett haben wir keine Lust mehr. Bis nach 10 Uhr dauert es, bis alles wieder zusammen gepackt ist – immer wieder stellen wir mit erstaunen fest, wie viel doch in unsere Taschen passt. Für heute steht der zweite Teil des Anstiegs auf den höchsten Pass unserer Tour an. Immerhin noch gut 600 Höhenmeter – eigentlich ein Klacks. 

Wir befinden uns mitten in einem Skigebiet, das anscheinend in der Saison gut besucht ist. Bei dem recht steilen Anstieg kreuzen wir immer wieder einen Skilift, der aus dem dichten Nebel auftaucht. Es ist wieder so ein Wetter, bei dem man nicht weiß, was man anziehen soll. Je höher wir fahren, desto mehr Schnee ist zu sehen. Ein Wunder, dass überhaupt noch welcher liegt, nach so viel Regen am Vortag, denn als Neuschnee wird das gestern sicher nicht heruntergefallen sein.

Durch den Nebel ist selten mehr als 30 Meter Sicht. Darum ist es auch nicht der größte Triumph, als wir unseren Spitzenwert von 1965 Metern erreichen. Doch nachdem wir kurze Zeit verweilt haben, unter anderem um sämtliche Jacken anzuziehen, die das Inventar so hergibt, lichtet sich stellenweise der Nebel und wir blicken auf eine dichte weiße Decke, auf der wir jetzt zu stehen scheinen.


Alles was hinauf geht, geht auch wieder hinunter! Unser Motto, wenn man gerade etwas demotiviert den zigsten Kilometer bergauf fährt. Und wie es wieder hinunter geht. Am Ende des Tages wollen wir wieder auf ca. 450 Metern über NN sein. Nach kurzer Strecke machen wir allerdings Rast um unseren Energiehaushalt aufzufrischen. Es ist allerdings so kalt, dass wir selbst mit Trikot, Thermoshirt und drei Jacken noch immer auf und ab hüpfen müssen, damit wir nicht frieren. Was sehnen wir uns jetzt das Wetter aus Griechenland herbei! Vincent meint: „Da lernt man das gute Wetter erst richtig zu schätzen, wenn man erstmal das schlechte hatte.“ Vermutlich sind wir viel zu verwöhnt mit gerademal zwei Regentagen.


Kurz darauf kommen wir zu einer Schlucht, bei der wir beide finden, dass eine Brücke jetzt angebracht wäre. Wir müssen nämlich auf die andere Seite… Und bleibt nichts anderes übrig, als die Straße in steilen Serpentinen runter und genauso steil wieder hinauf zu fahren.. (man denke sich jetzt unser Motto hinzu) 

Belohnt werden wir mit einer großartigen Hochebene. Grasbewachsene Hügel mit hervorschauenden Felsen. Die perfekte Strecke, um genauestens auszutesten, wie man am Besten seinen Schwung einsetzt und wann geschaltet werden muss. Das ist mit unserem bewärten Antrieb von Rohloff ein ganz besonderes Vergnügen, da   wir mit ihm problemlos mehrere Gänge auf einmal runter schalten können.


Anfangs macht das noch Spaß, doch es zieht sich noch etliche Kilometer hin, bis wir ziemlich ausgelaugt unsere finale Abfahrt erreichen. Auf einmal fahren wir zwischen zwei hohen Hügeln hindurch und es bietet sich uns ein beeindruckender Blick über einen Canyon. Mit Freude begrüßen wir unsere Freundin Tara zurück! 

Es geht in rasantem Tempo immer abwärts durch viel Grün, bis wir an einer Schranke ankommen. Zunächst fragen wir uns, wofür die gut sein soll, doch dann stellen wir fest, dass wir uns mitten in der Transitzone zwischen Montenegro und Bosnien befinden. Ein Stück höher müssen wir uns erst einen Stempel in den Reisepass abholen, bis es weiter hinab direkt an den Fluss und hinüber nach Bonien und Herzegowina geht – das sechste Land!

Über den Tara-Fluss geht es nach Bosnien und Herzegowina hinüber.
An der bosnischen Grenze begegnen wir den bisher unfreundlichsten Grenzbeamten. „No photo!“ wird uns zugerufen, doch da hat Vincent schon längst eins geknipst. Was ist auch schon dabei, ein Schild zu fotografieren, das uns im neuen Land willkommen heißt?

Von hier aus schaffen wir es nicht mehr weit. Kurz hinter der Grenze finden wir ein Rafting-Camp, wo wir für 5€ unser Zelt aufstellen können. Die Raftingsaison hat gerade begonnen und dieser Fluss sieht mehr als einladend dafür aus! Leon würde am liebsten direkt in ein Boot hüpfen, doch das wäre dann zu viel des Guten. Also setzen wir uns in das rustikal eingerichtete Restaurant des Hüttendorfes und bestellen ein leckeres, wenn auch ein wenig mageres Abendessen. An einem Lagerfeuer mitten im Raum sitzen ein paar andere Gäste und wärmen sich auf.

Unser Beschützer für die Nacht im Raftingcamp.

Montag: Da wir uns am letzten Abend früh schlafen gelegt haben, wachen wir beide früh morgens um kurz nach 6 auf und packen routiniert alle unsere Sachen. Ein schönes Gefühl, nach einer Nacht im Zelt wieder alles am Rad verstaut zu haben und unbeschwert weiter fahren zu können. Das ist für uns das Freiheitsgefühlt, was eine Radtour ausmacht. Einfach alles was man zum Leben braucht dabei zu haben und sich unabhängig bewegen zu können. Heute haben wir uns vorgenommen, bis nach Sarajewo, der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas zu fahren. Unser GPS hat uns 90 km und 1700 hm prophezeiht, also machen wir uns zeitig los. Um halb acht sitzen wir, leider noch ohne Frühstück, auf den Rädern und fahren weiter noch talabwärts entlang am schönen Fluss Tara, Leons großer Liebe.

Der Nebel verzieht sich langsam über dem Fluss.

Auf der Karte sehen wir den ersten größeren Ort kommen, dort hoffen wir einen Supermarkt fürs Frühstück plündern zu können. Nach gut 20 km sind wir in der kleinen Stadt Foča angekommen und halten vergebens Ausschau nach einem offenen Supermarkt. Denn was wir völlig vergessen haben, heute ist der 1. Mai! Nach den ganz normal geöffneten Läden in Albanien an Ostern haben wir absolut nicht damit gerechnet, dass hier am Tag der Arbeit etwas geschlossen sein könnte. Doch anscheinend wird dieser Tag hier auch groß gefeiert, wir stoßen nur auf Leute die mit den Schultern zuckend „holiday“ von sich geben. So bleibt uns nichts anderes übrig als bei einer Tankstelle nach etwas Essbarem zu suchen. Doch dort finden wir nur Kleinigkeiten von denen unsere inzwischen lautstark knurrenden Mägen nicht zufrieden gestellt werden. So beschließen wir auf der kleinen Terrasse neben der Tankstelle unsere zum Glück noch vorhandene Notration Nudeln zu kochen. Leon verkündet feierlich, „hiermit eröffenen wir den Verkehrt-herum-Tag“ und meint damit das deftige Frühstück.

Gestärkt und voller Vorfreude auf den Anstieg in kurzem Trikot und Hose machen wir uns wieder auf die Straße. Wir folgen nun wieder einem Fluss (nicht mehr Tara), allerdings diesmal flussaufwärts. So fahren wir nun gute 30 km mit leichter Steigung eine durchaus beeidruckende Felsenlandschaft immer weiter nach oben.

Ob es am guten Frühstück liegt oder daran, dass wir beide unsere normalerweise 3 Liter Wasservorrat pro Person auf die Hälfte wegen des langen Anstiegs reduziert haben, bleibt ein Rätsel. Doch es fährt sich heute, obwohl wir den vierten Tag in Folge nach drei anstrengenden Bergetappen im Sattel sitzen, erstaunlich leicht und wir sind beide bester Laune. Vermutlich leistet das gute Wetter auch einen nicht unerheblichen Beitrag, 25°C und Sonnenschein, besseres Radfahrwetter gibt es kaum.

Anscheinend ist heute unser Glückstag, denn die 1700 hm erweißen sich als sehr großzügig vorhergesagt von unserem GPS. Durch einige Tunnel können wir uns viele Höhenmeter ersparen und unser Track will uns bei einem der Tunnel doch tatsächlich lieber über einen Berg 200 hm aufwärts führen. Dort ist aber noch nicht einmal ein Weg zu sehen, so folgen wir danked weiter der Bundesstraße. Wobei Bundesstraße auch ein großes Wort für diesen recht wenig befahrenen sich durch die Berge schlängelde Asphalt ist.

Auf dem Weg fallen uns immer wieder Schilder auf, die an den Auffangnetzen der Felsen angebracht sind. Diese weißen darauf hin, dass diese von der EU in Zusammenarbeit mit Bosnien-Herzegowina finanziert wurden. Anscheinend gibt sich die EU auch in diesem Land Mühe, einem Beitrittskanidat die Vorzüge der EU schmackhaft zu machen.

Nach gut 60 Tageskilometern haben wir dann endlich den höchsten Punkt unserer Etappe erreicht und rollen erleichtert bis zum nächsten Ort runter. Dort hat zum Glück auch gleich der erstebeste Supermarkt an dem wir vorbei kommen geöffnet und wir decken uns großzügig für ein üppiges Mittagsmahl ein. Anscheinend ist der 1. Mai hier nur ein halber Feiertag, denn später sehen wir noch andere geöffente Läden.

Passhöhe erreicht 😀
Nach einer Stunde essen und entspannen fahren wir weiter den Berg runter. Es ist schon so angenehm warm, dass wir genüsslich selbst bergab im kurzen Trikot fahren, das hatten wir seit Griechenland nicht mehr! Die Strecke verläuft wieder an einem malerischen Fluss entlang und wir bemerken kaum, wie schnell wir vorankommen.

Mittagspause in der Sonne direkt neben einem Wasserhahn, was ein Glück!

Schon seit heute morgen fallen uns immer wieder serbische Flaggen auf Straßenschildern und an anderen Orten auf, wir rätseln ob Serbien wohl auch Anspruch auf einen Teil Bosnien-Herzegowinas erhebt. Oder vielleicht sind die vielen hier lebenden Serben einfach stolz auf ihre Herkunft.

Eine serbische Flagge direkt an der Straße kurz vor Sarajewo.

Nach über 100 km erreichen wir schließlich gegen 6 Uhr Abends die sehr schön gelegene Stadt Sarajewo. Wir haben uns zuvor ein Hostel von einem Flyer aus Skopje herrausgesucht, doch dieses scheint gerade wegen Renovierungsarbeiten geschlossen zu sein. Doch keine 50 m weiter finden wir eine günstige Pension, in der wir das gesamte untere Stockwerk für uns beziehen können. Bestens geeigent zum Wäsche waschen, trocknen und neu sortieren. Die Lage der Wohnung könnte besser kaum sein, ca. 100 m neben dem Rathaus und ebenfalls neben der Fußgängerzone, wo wir glücklicherweise noch einen offenen Laden finden und einkaufen. Um den „Verkehrt-herum-Tag“ vollständig zu machen gibt es heute zum Abschluss des Tages Apfel-pancakes.

Vom ersten Sturz und viel Regen #Tag 20,21 & 22

Donnerstag: Leon hatte am Vorabend beschlossen, spontan am nächsten Morgen je nach seinem Gesundheitszustand zu entscheiden, ob wir weiterfahren, oder einen Pausentag einlegen. So wacht er nun im Zimmer des Motels auf. Einige seiner ersten Worte sind: „Lass uns noch eine Nacht länger hier bleiben.“ Gesagt, getan. Beim Frühstück aus Omelette, welches wir auf der Radtour schon überdurchschnittlich oft gegessen haben, verlängern wir um eine Nacht.

Leon nutzt den Tag zum erholen und Kräfte sammeln, während Vincent sich in der kleinen Stadt Rožaje umschaut und ein paar Erledigungen macht. Unter anderem wird der neu angepasste und verbesserte GPS-Track in einem Internet-Café auf unsere Navis geladen.

Der Dorfplatz von Rožaje

So geht der Pausentag auch schnell vorbei und Abends kocht Vincent noch auf dem Balkon eine Art Wokpfanne mit den bescheidenen Mitteln, die ein Campingkocher so zulässt. Doch es macht Spaß mal wieder was eigenes zu kochen und es schmeckt auch wirklich nicht schlecht.

Freitag: Heute morgen fühlt sich Leon schon besser, doch wir nehmen uns trotzdem vor, den Tag ruhig anzugehen. Wir packen alle unsere im ganzen Zimmer verstreuten Sachen wieder zusammen, was bei diesem Durcheinander etwas dauert. Dann essen wir als Vorspeise zum Omelette noch beide ein Müsli, da wir gestern noch hungrig vom Frühstückstisch gehen mussten. Beim zweiten Frühstück treffen wir dann auf ein schwedisches Ehepaar, beide über 70 Jahre alt und wir tauschen unsere Geschichten aus. Sie sind seit November mit dem Wohnwagen durch Europa unterwegs und erzählen uns, dass sie mit ihrem Alter nach einem knappen halben Jahr reisen nun erstmal genug hätten und sich auf den Heimweg machen wollen. Uns faszinieren die beiden und wir wünschen uns, in diesem Alter auch noch fit genug zu sein, um so lange und ausgiebig reisen zu können.

Mit vollem Magen bepacken wir unsere Räder und machen uns auf den Weg Richtung Norden. Zunächst verläuft dich Strecke durch sanft hügelige Landschaft, bevor sie von dichtem Nadelwald abgelöst wird. Leon kommentiert die Umgebung: „Hier kann ich mir jetzt wirklich Bären vorstellen, die fühlen sich hier bestimmt wohl“. Doch wir begegnen an diesem Tag keinem der braunen Vierbeiner.

Der Wald, da sind wir uns beide einig, könnte auch irgendwo in Deutschland sein. Doch eine Sache passt nicht ins Bild, es ist der viele Müll, der leider auch hier mitten im friedlichen Wald am Straßenrand seine Endlagerstätte gefunden hat. 

Müllberge wie diesen findet man leider immer wieder mitten im Wald.

Ein einer Kreuzung hält Leon plötzlich an, um auf seinem Navi nach dem richtigen Weg zu schauen. Er scheint ihn gefunden zu haben und fährt den Berg runter ins Tal. So denkt zumindest Vincent, der den kurzen Halt genutzt hat, um seine Actioncam neu zu positionieren. Als er wieder aufschaut ist Leon schon weiter gefahren und Vincent fährt nichts ahnend den Berg runter ins Tal. Er übersieht allerdings eine kleine Abzweigung, in der Leon auf ihn wartet und ihn vorbeifahren sieht. So nimmt Leon eine rasante Verfolgungsjagd auf und nimmt dabei eine Kurve zu scharf. Wums und schon liegt er auf dem staubigen Boden. Er rapelt sich wieder hoch und nimmt sein Rad um weiter zu fahren, doch es geht nicht. Das Vorderrad hat sich bei dem Sturz so stark verbogen, dass alles blockiert. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als den Berg auf dem Hinterrad mit voll beladenem Rad runterzuhiefen. Zum Glück kommen ihm kurze Zeit später zwei Einwohner des Dorfes mit dem Auto entgegen, die ihm anbieten seine Taschen abzunehmen. Das Angebot dankend annehmend schiebt Leon die restlichen Meter bis zum Haus der Leute, die seine Taschen mitgenommen haben. Diese haben passenderweise eine Art Autowerkstatt und der Herr des Hauses nimmt sich sogleich Leons kaputtem Vorderrad an.

Ist Leons Vorderrad noch zu retten?

Dies alles erfährt Vincent erst kurze Zeit später, als er den Berg hochschnaufend an dem Hof vorbeikommt. Er war schon bis runter ins Tal gefahren, doch dort hatte ihm ein vorbeifahrender Autofahrer gesagt, sein Kumpel hätte Probleme mit seinem Fahrrad.

So wie es aussieht kann der Mann Leons Laufrad nicht richten und wir beide trauen uns dies ebenfalls nicht zu. Deshalb bietet er Leon an, mit ihm zum nächst größeren Ort mit dem Auto zu fahren um dort einen Fahrradladen aufzusuchen. Dieses Angebot nimmt Leon wegen Alternativlosigkeit sehr gerne an und schon sitzen sie im Auto und machen sich auf den Weg. Vincent bleibt währenddessen bei den Fahrrädern und wird gut versorgt mit Saft, Kaffee und Schokolade. Eine Stunde vergeht und noch eine weitere… schließlich bekommt Vincent eine SMS von Leon, sie seien in einer knappen Stunde wieder zurück. 

Von außen käme man niemals auf die Idee, dass hier drinnen eine Fahrradwerkstatt zu finden ist..

Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt Leon samt seines vorderen Laufrads zurück und verkündet fröhlich, er konnte es für 5€ reparieren lassen. Nachdem Leons eifrige Helfer sein Vorderrad wieder eingebaut haben, bekommen wir zum Abschied als Stärkung noch traditionelle Manti aufgetischt, eine Art kleine Blätterteigtaschen.

Nun heißt es nach fast vier Stunden Abschied nehmen von unseren Rettern in der Not, natürlich nicht bevor Kontaktdaten ausgetauscht wurden. Kaum sind wir losgefahren treffen wir auch schon auf einen Mann, der  beim vorbeifahren ein Foto von uns macht. Es stellt sich herraus, dass er Mitglied eines Mountainbike-Clubs ist und sind erstaunt, dass es hier so eine starke Mountainbike Community gibt.

Ein Mountainbiker aus Montenegro unter uns 😀

Auf geht es weiter immer flussabwärts und wir bekommen dank Rückenwind ordentlich Fahrt und sind beschwingt von den faszinierenden schroffen Bergen um uns herum.

Nach einer halben Stunde mit 30er Schnitt werden unsere Beine doch langsam müde und wir machen uns nach einem kurzen Einkauf auf die Suche nach einem geeigneten Campingspot. Bei den vielen Wiesen hier eigentlich gar nicht so schwer, allerdings gehen diese neben der Straße erstmal ziemlich steil hoch… Nach ein paar Kilometern stoppt Vincent plötzlich und zeigt auf die steile Wiese auf der rechten Seite. Leon schaut ihn etwas fragend und kritisch an, doch da ist Vincent schon zu Fuß oben und kundet die Wiese aus. Sie scheint perfekt geeignet und bietet auch noch eine tolle Aussicht auf die gegenübeliegenden Hänge.

Zur Krönung des Tages will Leon noch ein Lagerfeuer machen, wessen Aufbau bei dem doch recht starkem Wind einiges an Geschick und Erfahrung verlangt. Doch es gelingt dem Feuermeister ein wärmendes kleines Lagerfeuer zu entzünden.

Müde und erleichtert, dass bei Leons Sturz nichts schlimmeres passiert ist, fallen wir dann in unsere Schlafsäcke und machen es uns gemütlich.

SamstagNach erholsamem Schlaf im Zelt können wir gut aufstehen. In der Nacht hat es das eine oder andere Mal ein wenig genieselt, doch wir können alle unsere Sachen trocken einpacken. Statt einem Tee machen wir heute Morgen eine heiße Zitrone (in Pulverform), die wir im Kosovo von einem der Gashis geschenkt bekommen haben. Während wir mal wieder ein Müsli mit viel Obst zu uns nehmen, treibt uns ein Regenschauer dazu, alle übrigen Habseligkeiten schnell zusammenzupacken, jedoch geht der schnell vorbei.

Gestern hat Leon bemerkt, dass der Mantel seines Vorderrades gegen die Laufrichtung aufgezogen worden ist. Um wieder maximalen Halt auf der Straße zu haben, muss das natürlich korregiert werden.

Trotzdem kommen wir recht früh los und starten die heutige Etappe – es ist Regen angekündigt, welcher auch nicht lange auf sich warten lässt… zum Glück nur wenig und in kurzen Schauern. Da Montenegro nicht besonders dicht besiedelt ist (ca. 46 Einwohner pro qkm), müssen wir gut darauf achten, dass wir genug einkaufen. In den kleineren Orten ist das Angebot der oft kioskartigen Läden nicht besonders groß, weshalb unsere ständige Notration Nudeln mit Pesto auf keinen Fall fehlen darf. Meistens ist jedoch ein Ort an unserer Strecke gelegen, der einen größeren Supermarkt aufweisen kann. Hoch im Kurs sind momentan auch noch Taschentücher. Es geht uns beiden zwar wieder ganz gut, doch die Nasen laufen munter weiter.

Nachdem wir den Vormittag ziemlich ereignislos geradelt sind, kommen wir in die Nähe des Durmitor-Nationalparks. Der Track auf unserem GPS-Gerät zeigt uns eine vermeintliche Abkürzung an, die uns von der asphaltierten Straße wegführt. Der Track war bisher sehr zuverlässig, weshalb wir den Weg in ein Tal einschlagen. An dieser Stelle werden wir zum ersten Mal auf der gesamten Tour so richtig in die Irre geführt.

Kurz vorm Nationalpark… links verläuft die Straße und rechts (nicht zu sehen) unser Weg steil ins Tal hinunter.

Zunächst asphaltiert geht der Weg in Schotter und schließlich in Wiese über. Einem schwach erkennbarem Trampelpfad folgen wir bis zu einem Fluss, der mit ordentlich Strömung aus den Bergen runterrauscht. Laut Route sollen wir darüber kommen, jedoch ist nirgends eine Brücke oder Furt oder ähnliches in Sicht. Ratlos fahren wir ein Stück hin und her, bis wir uns schließlich dazu entscheiden, zur Straße zurückzufahren.. Dumm gelaufen! Ungefähr eine Stunde haben wir jetzt verloren und obendrein hat sich der Niesel in einen kontinuierlich strömenden Regen verwandelt. Da legen wir gerne erstmal eine Mittagspause ein!

Endstation: Der Fluss ist zwar schön anzusehen, doch stellt er ein unüberwindbares Hindernis dar. Unschuldig und so klar, sodass wir überall bis auf den Grund schauen können, rauscht er vor uns entlang.

Ein leer stehendes Haus mit überdachtem Eingangsbereich – im Regen der perfekte Ort für unsere Pause.

Gestärkt, jedoch immernoch im Regen (der hört den restlichen Tag nicht auf und wird auch nicht weniger) radeln wir an noch mehr Wasser entlang. Der Track, auf den wir nach kurzer Zeit wieder stoßen, wollte uns eine Art Klettersteig hinauf führen. Völlig irrsinnig mit 50 Kilo Gepäck.. da sind wir dann doch froh, nicht über den Fluss gekommen zu sein.

Unsere Weggefährtin für die nächsten 50 Kilometer heißt Tara und sie ist wirklich eine Augenweide ;D Wie im Mavrovo-Nationalpark in Mazedonien führt auch hier eine kurvige Straße durch einen Canyon, wobei dieser hier noch um einiges schöner und gewaltiger ist – das Beste: so gut wie kein Müll am Straßenrand!

Immer wieder wird zu Recht vor Geröll auf der Straße gewarnt.

An vielen Stellen sind Tunnel direkt in den Fels gehauen. Ein willkommener Ort, um das GPS so trocken zu bekommen, dass wir unsere weitere Route nachschauen können.

In der Ferne sind die großen Bögen einer Eisenbahnbrücke zu sehen, wie wir zunächst glauben.. Es handelt sich jedoch um eine Autobrücke. Sie überspannt das Tara-Tal, in dem der Fluss immer größer wird. Hier werden auch Rafting-Touren angeboten, was wir beide sehr reizvoll finden!

So schön Tara auch ist, müssen wir leider hinauf in die Berge. Und was für welche! Wir beginnen heute den Anstieg zum höchsten Pass der gesamten Fahrradtour. In Serpentinen verabschieden wir uns vom Tal und schrauben uns langsam aber sicher in die Höhe. Ein zäher Anstieg ist das, denn durchgeweicht vom Regen macht sich schon bemerkbar, dass die Erkältung noch nicht komplett verschwunden ist. Insgesamt war heute einer dieser Zwiebeltage, an denen man zig Jacken übereinander zieht und davon ständig etwas an- oder auszieht.

Ausgelaugt und ausgekühlt erreichen wir unser Tagesziel. Zabljak ist ein mit Hotels, Chalets und Ferienhäusern gepflasterter Ort mitten in den Bergen. Eines der Skigebiete Montenegros ist hier angelegt, weswegen mal wieder alles sehr touristisch angehaucht ist. Momentan liegt jedoch kaum Schnee und dementsprechend sind auch keine Urlauber hier. Wir finden problemlos ein günstiges Zimmer – es ist eher eine Ferienwohnung mit eigener Küche. Perfekt um alle nassen Sachen zu trocknen! 

Zum Abschluss des Tages gönnen wir uns ein Abendessen im Hotelrestaurant. Endlich sind wir wieder trocken, aufgewärmt, satt und zufrieden.

Von Skopje übers Kosovo bis nach Montenegro #Tag 15-19

Ganz schön lange ist es schon wieder her, dass wir euch auf dem Laufendem gehalten haben. Es ist schon wieder soviel passiert in den letzten Tagen, das ist unglaublich! Auf einer Fahrradtour denkt man oft nach besonders erlebnisreichen Tagen, dass es in den nächsten Tagen bestimmt weniger zu berichten gibt. Doch dem ist momentan überhaupt nicht so, ganz im Gegenteil.

Samstag: 

Fangen wir mal chronologisch mit unserer Zeit in Skopje an. Den Samstag haben wir nach den letzten vier anstrengenden Etappen bis Tirana als Pausen-und vor allem Erholungstag vorgesehen. Vincent hat sich leider erkältet und braucht Ruhe. Da das Shanti Hostel uns leider nur eine Nacht behergen kann, da es sonst ausgebucht ist, machen wir uns so nach dem kostenlosen Frühstück auf die Suche nach einer neuen Bleibe. Allerdings nicht, bevor wir die eine Hostelmitarbeiterin in unser Anne-Frank Projekt eingeweiht haben und sie sich mit einem Satz auf mazedonisch darin verewigt.

Nach einer kurzen Suche in der Nachbarschaft bei ein paar anderen Hostels, von denen es hier wirklich reichlich gibt, werden wir in einer Art Jugendherberge fündig. Wir beziehen ein Zweibettzimmer, der deutlich besserer Ort zu genesen als in einem Dorm (Gruppenschlafraum). Der Samstag verläuft ruhig und wir entspannen beide. Wir hören uns übers Internet etliche Folgen TKKG und Die drei ??? an, das weckt Kindheitserinnerungen. Mittags laufen wir auf der Suche nach Essen in eine Mall um die Ecke und schlagen dort richtig zu. Das absurde, in dieser Mall gibt es einen DM! Wir können es kaum glauben und können dem nicht entgehen, unseren eisernen Energieriegelvorat für den Notfall mit unseren Lieblingsriegeln aufzufrischen.

Allgemein gefällt uns die Mall überhaupt nicht. Ohnehin sind wir keine großen Fans von riesigen Shoppingcentern, doch hier ist die Absurdität der vorgegaukelten Welt drinnen nicht zu übersehen. Alles wirkt sehr schick und ist blitz blank geputzt, und als wir uns zum Essen hinsetzen und ein wenig krümmeln, kommt sogleich eine Reinigungskraft und wischt unseren Dreck weg. So haben wir uns die Hauptstadt Mazedoniens nicht vorgestellt.

Da es Vincent auch am Abend noch nicht viel besser geht, beschließen wir noch einen Tag in Skopje zu verweilen. Denn kränklich weiter zu fahren macht zum einem keinen Sinn und wir sind zum Glück auch so noch im Zeitplan. Jetzt sind wir sehr dankbar darüber, in Griechenland vier Etappen mit über 100 km gemacht zu haben.

Sonntag:

Am Morgen macht sich Leon auf zu einer Free Walking Tour durch den Stadtkern von Skopje. Begeistert von der tollen Führung kommt er nach vier Stunden zurück und wir ziehen gemeinsam los, da Vincent wieder mehr Kraft hat und ihn die Neugier über diese Stadt gepackt hat. 

Auf der Straße entdeckt Leon diesen äußert kunstvoll eingerichteten Buchladen.

Wir wohnen zum Glück in Zentrumsnähe und haben so keinen weiten Weg zu den vielen Sehenswürdigkeiten. Doch irgendwie passt dieses äußerliche Bild der Stadt nicht zum Rest des Landes. Es wird Geld in die kleine Fläche der Innenstadt gesteckt und es wirkt alles sehr edel und wohlhabend. Außerdem sehen wir überall Statuen stehen und es wirkt alles trotz älterem Baustil sehr neu. Die Statuen sind bis auf wenige, wie Leon bei der Stadtführung erfahren hat, willkürlich ausgewählt und haben keine besondere Bedeutung. Sie dienen also auch dazu, den Schein einer ehrwürdigen Hauptstadt zu komplettieren.  Langsam passt das Bild, was wir zuvor in Mazedonien von Skopje gewonnen haben. Die Regierung steckt viel Geld in die öffentliche Präsenz, doch hat kaum mehr Geld für den Rest des Landes übrig. Zudem verschuldet sie sich stark um so viele prunkvolle Bauten zu ermöglichen, wie Vincent später liest.

Montag:

Nach zwei Tagen in Skopje packen wir am Montag Morgen voller Elan endlich wieder alle unsere quer im Zimmer verstreuten Sachen zusammen und schwingen uns auf die Räder. Es fühlt sich gut an wieder unterwegs zu sein!

Ein letztes Foto in Skopje vor dem Aufbruch, im Hintergrund schneebedeckte Gipfel.

Nach wenigen Kilometern auf erstaunlich guten Fahrradwegen (schon fast Ähnlichkeiten mit Kopenhagen!) lassen wir die Stadt hinter uns.

Die Straße bis zur Grenze zum Kosovo lässt sich angenehm fahren und hat nur eine leichte Steigung. Wir fahren durch eine sehr grüne, bewaldete Landschaft und sind schon nach einer guten Stunde an der Grenze angekommen. Am Grenzposten von Kosovo bekommen wir nun auch endlich unseren ersten lang ersehnten Stempel in unsere Reisepässe 😀

Schon Land Nummer 4 unserer Reise!

Kaum haben wir die Grenze überquert werden wir auch schon von einem Mann auf deutsch angesprochen. Als wir dann in eine Bäckerei einkaufen, spricht der Verkäufer auch deutsch, sowie kurz darauf auch eine Frau im Supermarkt. Was uns in diesem doch fernen Land zu Beginn sehr verwundert ist leicht zu erklären. Denn während des Kosovokrieges flohen über 800.000 Menschen, ein Großteil von ihnen suchte Arbeit in Deutschland. Auch heute leben & arbeiten noch über 400.000 Kosovaren vor allem in Deutschland und der Schweiz.

Nach den ersten erfreulichen Einkäufen im Kosovo machen wir uns die ersten Hügel hinauf in Richtung Ferizaj. Auf dem Weg treffen wir immer wieder Leute , die uns mit „Hallo“ begrüßen und wir grüßen erfreut zurück.

Mittags kommen wir dann durch einen kleinen gemütlichen Ort namens Kacanik, wo wir eine Rast einlegen. Es ist gerade die Schule zu Ende uns so kommen einige Schüler interssiert an unserer Picknick-Bank vorbei und erkundigen sich nach unserer Reise. Wir sind erstaunt wie gut einige der jungen Schüler Englisch können, besonders ein 11-Jähriger begeistert uns, der fast besser als wir in der Oberstufe spricht.

Zwei der begeisterten Jungs in der Mittagspause.

Nach einer ausgiebigen Mittagspause machen wir uns weiter, denn wir wollen heute noch ein wenig Strecke schaffen. Links neben uns begleitet uns ein atemberaubender Blick auf einen schneebedeckten Gipfel hinter blühend grünen Wiesen.

In Ferizaj angekommen kaufen wir noch alles nötige fürs Abendessen ein und füllen unsere Wasservorräte auf. Denn diese Nacht wollen wir seit langem endlich mal wieder wild campen. Wo wir uns in Deutschland sogar mit Micromata-Tabletten gegen schmutziges Wasser eingedeckt haben, hatten wir bis jetzt zum Glück nie die Notwendigkeit, diese zu benutzen und bekommen meistens ganz ohne Probleme in Cafés oder Restaurants frisches Wasser.

Zeugnis des Religionsfriedens, da sollten sich so manch andere Länder ein Beispiel dran nehmen!
Innovative Straßenbeleuchtung!

Die Sonne steht schon tief, als wir aus Ferizaj rausfahren, um einen geeigneten Campingplatz zu finden. Um am nächsten Morgen nicht den kompletten bevorstehenden ca. 800 hm Anstieg zu haben, fahren wir schon ein gutes Stück den Berg hinauf und finden schließlich eine traumhafte Wiese mit tollem Ausblick, an deren Rand wir es uns gemütlich machen.

So einen Ausblick vom Campingplatz hatten wir bisher noch nicht.

Dienstag:

Morgens in der Früh, die Sonne hat gerade das Zelt in ein warmes gelb getaucht, steht Vincent voller Elan auf und fühlt sich wieder topfit. Oder zumindest so einigermaßen. Leon hingegen hat sich anscheinend angesteckt und bei ihm kommen jetzt die ersten Anzeichen einer Erkältung hoch. Doch zum Glück ist der Wettergott uns heute wohl gesonnen und wir können ein trockenes Zelt einpacken.

In der Morgensonne… die Bären haben unser Nachtlager zum Glück in Ruhe gelassen, Vincent hat vorsorglich das Essen über Nacht an einen sicheren Platz gebracht (wie viele Bären tatsächlich in dieser Gegend vorkommen, sind wir uns nicht ganz sicher).

Sack und Pack wieder beisamen machen wir uns ohne Frühstück den zweiten Teil des Anstiegs hinauf. Es dauert doch noch länger als gedacht bis wir oben sind, doch dafür folgt auf den kräftezehrenden Anstieg eine absolut belohnende Abfahrt bis in den Ort Suhareke, wo wir unser verdientes Frühstück auf einer Sonnenbank genießen.

Das schöne an einer Radtour, man gibt sich mit den noch so kleinen Dingen glücklich. Z.b. ein Holzstamm an der Straße als Bank fürs Frühstück.

Schon vor dem Frühstück und auch danach auf unserer weiteren Strecke, fallen uns immer wieder Gedenkstätten gefallener Kämpfer der von Albanern geführten Kampfvereinigung UÇK auf. Sie sind ein Denkmal dafür, was vor erst 18 Jahren im Kosovo schreckliches passiert ist und wie viele Menschenleben dieser Bürgerkrieg kostete. Doch sonst sind von dem Krieg kaum noch Spuren zu sehen, ganz im Gegenteil sind aufgrund internationler Hilfsgelder viele neue Straßen, Schulen sowie Wohnhäuser gebaut worden. Wir sehen viele neue noch unverputze Häuser auf der Strecke und es scheint kaum jemand in einer alten zerfallenen Baracke wohnen zu müssen.

Doch die Spannungen zwischen Albanern und Serben, den zwei größten ethnischen Gruppen im Kosovo, sind auch heute noch spürbar. Einige Male hören wir von Albanern, denen wir darüber erzählen unsere weitere Reiseroute führe über Serbien, „shit Serbia“.

Erst in Skopje hatte Vincent gelesen, dass im Kosovo noch immer 650 deutsche Bundeswehr-Soldaten stationiert seien. Sie gehören dem internationalen Bündnis KFOR an und sind zusammen mit Italienern, Österreichern, sowie Türken seit Ende des Krieges 1999 für eine Überwachung der Lage vor allem im Norden Kosovos zur Grenze nach Serbien verantwortlich. Denn dort kommt es manchmal immernoch zwischen den dort lebenden Serben und Albanern zu gewaltsamen Ausschreitungen.

Wir fahren direkt bei einem KFOR Übungsplatz der Bundeswehr vorbei.

Mittags finden wir auf dem Platz eines kleinen Dorfes ein paar Bänke und setzen uns gemütlich hin um zu Speisen. Kaum sitzen wir, kommen auch schon die ersten interessierten Jungs an und wollen sich mit uns unterhalten. Doch da leider niemand von ihnen Englisch spricht, holen sie einen anderen Freund (auch wieder kaum älter als 14 Jahre), der mit gutem Schulenglisch alles übersetzt. Mit der Zeit kommen immer mehr dazu und so wird eine eine große Runde. Wir bekommen Limonade und Wasser geschenkt und sind ganz angetan von der großen Interesse für unsere Tour. So unterhalten wir uns mit der ganzen Dorfjugend, allerdings leider nur Jungs, und merken gar nicht wie die Zeit vergeht.

Nach gut anderthalb Stunden müssen wir uns leider verabschieden und merken erst beim weiterfahren, dass wir kaum dazu gekommen sind etwas zu essen. So halten wir wenige Kilometer später mitten im Feld und machen eine zweite Esspause, hier winken uns nur die vorbeifahrenden Autofahrer zu.

Müll gibt es auch hier viel, der die sonst so schöne Natur etwas unschöner macht.

Weiter geht es durch eine sehr schöne leicht hügelige Landschaft, vorbei an einigen kleinen Dörfern und Bauernhöfen. Die große Gebirgskette, die uns morgen auf dem Weg nach Montenegro bevorsteht kommt uns immer näher, ein fast schon erniedrigender Anblick.

Nach gut 80 km heute machen wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Platz zum schalfen, wir haben wieder die Absicht zu zelten. Doch das soll nicht so richtig werden. Denn als wir in einem kleinen Ort die letzten benötigten Dinge fürs Abendessen einkaufen, lernen wir einen Kosovaren kennen, der uns auf Deutsch zu einem Kaffee bei sich einlädt. Der Einladung kommen wir gerne nach und so erzählt er uns, er habe ein Jahr in Deutschland gearbeitet und würde auch sehr gerne wieder dorthin zurück kehren.

Einladung zu türkischem Kaffee und Cola.

Nach einem sehr leckerem türkischen Kaffee fragen wir ihn, ob er hier einen guten Platz zum zelten kennen würde. Daraufhin führt er uns sogleich mit seinem Auto ein wenig außerhalb des Dorfes zu einem kleinen Hügel, den er für geeignet empfindet. Dankend verabschieden wir uns bei ihm und wollen gerade unser Zelt aufschlafen, als ein paar Jungs aus dem Dorf zu uns hoch kommen und fragen, was wir hier machen wollen. Nach ein paar Verständigunsproblemen ist schließlich ein deutschsprachiger Mann aus dem Dorf da, der uns erklärt wir sollten doch lieber bei einer Familie im Haus schlafen und nicht hier draußen. Anscheinend ist das ganze Dorf verwandt, denn er erklärt uns alle Häuser bis auf eines würden der Familie Gashi gehören und wir seien überall willkommen. So passiert es dann, dass wir von einem anderen Mann, der gerade vom Feld kommt, zu sich nach Hause eingeladen werden, obwohl dieser nur wenige Worte deutsch und kein bisschen Englisch spricht. Dankend für diese gastfreundliche Geste kommen wir mit ihm in sein Haus und haben einen netten Abend mit gutem Essen.

Die ganze Familie versammelt, die Männer haben gerade gespeist.

Trotz der Sprackbarierre und der wenigen gemeinsamen Worte verstehen wir uns gut mit der großen Familie und schauen uns nach einem traditionellen Essen mit selbst hergestelltem Kefir und selbstgebackenem Brot, eigener Paprika und einer außerordentlich leckeren Reispfanne gemeinsam die vielen Fotos unserer bisherigen Erlebnisse an. Was uns während des Essens und auch sonst um Umgang miteinander auffällt, ist die klare Rollenverteilung zwischen Mann und Frau hier. Erst speisen alle Männer inklusive der Gäste und essen, bis sie satt sind. Erst als wir vom Tisch gehen und uns aufs Sofa setzen dürfen die Frauen und Kinder an den Tisch und die Reste des Festmahls essen. Aus unserer Sicht sehr beschämend, anderen das Essen wegzuessen, doch hier ist das ganz selbstverständlich und gehört zum Alltag.

Das Markenzeichen der Albaner, der Adler aus der Flagge Albaniens.

Mittwoch

Nach einer Nacht in einem richtigen Bett geht es Leon wieder besser, weswegen wir guter Dinge in den Tag starten. Die Familie Gashi verlassen wir nach einem Frühstückstee, bekommen aber noch Kefir und selbstgemachten Käse mit auf den Weg. Unglaublich schon wieder, wie gastfreundlich das ganze Dorf ist. Die Verständigung war zwar nicht so einfach wie bei Denardos Familie in Albanien, doch mit Händen und Füßen und drei Worten deutsch, englisch und albanisch klappt am Ende alles.

Richtiges Schlemmerfrühstück, Rührei auf dem Campingkocher 🙂

Wieder auf dem Rad, fahren wir ein paar Kilometer, bis wir eine geeignete Stelle finden, um unser Schlemmerfrühstück auszubreiten. Wir machen Rührei auf Toast, essen Müsli und lassen uns Brote mit mazedonischem Nutella und Erdnussbutter schmecken. Der Berg, auf den wir schon seit vorgestern blicken können, fordert einiges an Energie. Vorbei an diversen Autowäschen, von denen es im ganzen Land an jeder Ecke welche gibt, fahren wir in Richtung Peje, eine Stadt am Fuße der beeindruckenden Berge. Unterwegs treffen wir mehrere der Leute aus dem Dorf, in dem wir übernachtet haben.

In Pejë kaufen wir ein und beginnen den Berg hinaufzufahren. Die Aussicht auf das Tal wird immer beeindruckender, je höher wir kommen. 

Schließlich erreichen wir den Grenzposten auf kosovarischer Seite. Von hier aus sind es immernoch 500 Höhenmeter, bis wir den Pass erreichen. Also wollen wir zumindest nach Montenegro einreisen, bevor wir unsere Mittagspause machen. Die Transitzone ist allerdings deutlich länger, als wir erwartet haben. Die montenegrische Passkontrolle will und will nicht kommen, weshalb wir an der Straße halt machen und unseren Energievorrat auffrischen.

Mittagspause inmitten der Berge.

Gestärkt fahren wir bis auf die Passhöhe hinauf, wo endlich der Kontrollposten steht. Ohne Probleme kommen wir nach Montenegro hinein. Auf 1800 Metern liegt genug Schnee, dass wir einen Schneemann bauen können. Jetzt wartet die Abfahrt nach Rožaje auf uns! Wir sind bereits in unser fünftes Land gefahren… kaum zu glauben.

Oben angekommen sind wir tatsächlich noch mitten im Schnee.

Nach einer gefühlten Ewigkeit in der Transitzone kommen wir am Grenzposten von Montenegro an.

Mit vier Jacken an und voller Adrenalin geht es immer bergab auf der weiterhin sehr kurvigen Straße, jedoch angenehm mit leichtem Gefälle, sodass wir kaum bremsen müssen! Im Ort fragen wir uns nach einer Unterkunft durch und finden ein Motel, in dem viele Trucker unterkommen. Leon ist durch den Anstieg ziemlich mitgenommen und die Erkältung hat ihn jetzt so richtig erwischt. Keine gute Aussicht, da Montenegro quasi nur aus Bergen besteht… Während Vincent ein Abendessen auf dem Balkon zubereitet – wo auch sonst? – kann Leon nur noch abgeschlagen im Bett liegen und sich erholen.