Superlative… #Tag 46 und 47

Wamm! Was für einen Wandel wir durchgemacht haben… Auf einen Schlag sind wir in den deutschsprachigen Raum eingedrungen und es fühlt sich noch nicht ganz echt an. Die eine oder andere Spur haben die fremden Sprachen hinterlassen, was jetzt umso deutlicher wird.

Dienstag: Heute ist ein Tag Pause geplant. Da wir jedoch nicht in einem richtigen Bett liegen und auch Bratislava nicht in Sicht ist, fühlt sich dieser Tag zunächst wie jede andere Etappe an. Vincent ist scheinbar so ausgeruht, dass er kaum Schlaf nötig hat. Um fünf Uhr ist er auf den Beinen und füllt den Tag mit Leben, während sich Leon im Halbschlaf fragt, ob seine Uhr richtig geht.

Den schönen Sonnenaufgang fängt Vincent ein…

Gegen sieben sind wir dann beide aufgestanden und packen alles zusammen. Etwas flotter, um die Zeit in Bratislava gut nutzen zu können. So geht es die verbleibenden 25 Kilometer bis zur Stadt hin.

Inmitten eines Mohnfeldes steht unser Zelt. Über Nacht hat die Spannung etwas nachgelassen, denn der Steinharte Boden hat verhindert, dass wir die Seile spannen konnten.

Locker fährt es sich dahin, mit dem Wissen einer kurzen Strecke im Hinterkopf, sodass der Gegenwind heute nicht die übliche bremsende Wirkung hat. Etwas mehr als eine Stunde später erreichen wir den Stadtrand, wo wir uns nach einem Hostel erkundigen. Schnell ist dieses auch gefunden, sodass wir unsere Sachen abladen und unter die Dusche steigen können. Frisch gemacht erkundet sich eine Stadt wesentlich besser, als in den verschwitzten Radlerklamotten. Als wir uns auf den Weg begeben, ist die Mittagszeit herangekommen und wir machen direkt bei einer Imbissbude halt. An die steigenden Preise müssen wir uns langsam wieder gewöhnen. Was im Balkan teilweise weniger als die hälfte des gewohnten Preises gekostet hat, ist hier geradezu unverschämt hoch, allerdings befinden wir uns auch in einer Stadt…

Nein, kein Handy… kaum haben wir uns hingesetzt, nutzt Leon die Wartezeit bis zum Essen und vertieft sich in sein Buch.

Der erste Eindruck der vergleichsweise kleinen Hauptstadt ist kein besonders guter. Nach Budapest ist das aber auch kein Wunder. Wir sind ohne Wissen über die Stadt und auch ohne große Erwartungen hergekommen und laufen Dank eines Stadtplans nicht ganz orientierungslos umher. 
Die ersten schöneren Ausblicke. Die schönen Seiten der Stadt bekommen wir auch zu Gesicht.

Für einen Überblick über die Stadt, laufen wir den Hügel hinauf zu dem Stadtschloss, welches in den 50er Jahren wieder neu aufgebaut wurde, nachdem es im Krieg großenteils zerstört wurde. Von hier blicken wir auf die Donau und die Stadt, welche sich auf beiden Seiten des Flusses erstreckt. Eine klare Linie ist dabei zu erkennen, denn auf der anderen (neueren?) Seite der Donau stehen ausschließlich große Plattenbauhochhäuser.
Der Schlossgarten strahlt in der Sonne so hell, dass man es dort nicht lange aushält..

Den Hügel hinab finden wir die allererste Bäckerei, die wir seit unserer Ankunft in der Stadt vergeblich gesucht haben. Der Laden ist klein und gemütlich, mit hausgemachten Leckereien abseits der Backwaren. Auf der Bank davor lassen wir uns nieder und gönnen uns eine Pause vom laufen (es ist ziemlich warm geworden).

Vor dem Parlamentsgebäude machen wir unseren nächsten Stop, erfrischen uns an dem dortigen Brunnen und mal wieder fällt ein Prunkbau aus der Reihe der eher schlichten anderen Häuser drumherum.

In unserem Gepäck befinden sich noch immer die griechischen Papierfahnen, die wir in der Botschaft in Budapest bekommen haben. Um sie an den Rädern befestigen zu können, müssen sie zuerst noch wetterfest gemacht werden, weshalb wir un einen Copyshop spazieren, wo die Fahnen laminiert werden.

Zuletzt kaufen wir noch für ein Abendessen ein und laufen zum Hostel zurück, wo wir endlich unser Zimmer beziehen – ein Sechs-Bett-Dorm, in dem noch ein anderer Reisender untergekommen ist. Die Fahnen befestigen wir an den Rädern, (jeder von uns hat seine eigene Methode) bevor wir uns der Küche zuwenden. Heute gibt es eine neue Auflage von Couscous, mit einer leckeren Gemüse-Erdnusspfanne.

Vincent stellt sich an den Herd, während Leon das Gemüse schnippelt.

Zwei Engländer gesellen sich zu uns, die ebenfalls die Küche nutzen. Wir kommen ins Gespräch über unsere Reisen und Essen zusammen. Die beiden verzieht es später dann in die Bar, während wir noch Abspülen und dann in Richtung der Betten verschwinden. Unser Zimmer liegt direkt unter dem Dach, sodass es sich durch die Sonne stark aufgeheizt hat. Im Bett zu liegen ist einigermaßen unerträglich, doch es kühlt langsam ab. Die Zeit wird sinnvoll zum Lesen genutzt und irgendwann schlafen wir ein…

Mittwoch: Unsere erste Nacht in einem Hostel seit Belgrad war sehr angenehm. Dank eines kleinen Gewitters am Abend kühlte sich das Zimmer im obersten Stockwerk von einer fast unerträglich warmen Temperatur glücklicherweise herunter. So können wir seit langem auch mal ein kleines bisschen länger als bis halb sieben morgens schlafen, was gut tut. Wir haben alles wieder schnell zusammen gepackt und beschließen unser Frühstück, für das wir am Vortag bereits alles besorgt haben, noch im Hinterhof des Hostels einzunehmen.

Unser klassisches Müslifrühstück zur Abwechslung mal mit richtigem Geschirr essen 😀

Als wir uns gerade zum gehen wenden, kommt uns noch einer der beiden Briten entgegen, die wir gestern Abend kennen gelernt haben. Wir verabschieden uns noch und wünschen gute Weiterreise, er uns ebenfalls, hält unsere Reise aber weiterhin anscheinend für etwas verrückt.

Kaum haben wir die Stadt verlassen und haben die Donau überquert, kommt auch schon die Grenze zu Österreich. Beziehungsweise können wir außer ein paar alten verlassenen Grenzhäusern wenig Anzeichen erkennen und suchen sogar vergebens nach einem Willkommensschild für Östterreich. Auf unserer Suche danach stoßen wir auf zwei andere Radfahrer, die heute ebenfalls auf dem Weg von Bratislava nach Wien sind. Sie stellen sich uns als Thomas und Antje vor und wir unterhalten uns eine Weile nett mit ihnen. Thomas und Antje kommen aus München und sind gerade auf einwöchiger Radtour in Österreich und der Slowakei. Es ist ungewohnt sich mit anderen Radreisenden auf deutsch zu unterhalten, es sind auch erst die anderen Radreisenden aus Deutschland, die wir bis dahin auf unserer Tour getroffen haben. Andererseits tut es aber auch gut und erleichtert so manche Beschreibung doch ungemein.

Daumen hoch zusammen mit Thomas und Antje direkt zwischen der Slowakei und Österreich.
Mangels eines richtigen Willkommensschildes feiern wir unser 12. Land vor einem unglaublich attraktivem Straßenschild, immerhin steht Österreich drauf.

Nach diesem triumphalen Grenzübergang fahren wir unbeschwert weiter Richtung Wien, wo wir heute Abend ankommen wollen. So wie es der Zufall will, haben wir heute morgen noch eine kurzfristige Zusage über warmshowers für drei Nächte bekommen, was uns sehr freut. Noch dazu hat uns unser host verraten, dass unser Reich ein alter Wohnwagen im Garten sein wird. Das hört sich nach einem super coolen Übernachtungsort in Wien an und so sind wir bester Laune und dankbar wieder einmal so ein Glück zu haben.

In den ersten Orten, die wir durchfahren, bemerken wir die vielen deutschen Schriftzüge. Noch ganz ungewohnt für uns nach sieben Wochen im nicht deutschsprachigem Ausland, ein weiterer großer Tritt näher Richtung Heimat. Zum einen eine tolle Umstellung, da wir nun wieder (so ziemlich) alles verstehen können. Zum anderen müssen wir uns aber auch wieder drauf einstellen von viel mehr Leuten um uns herum verstanden zu werden, wodurch man sich in manchen Situationen mit seinen Bemerkungen nun wieder etwas mehr zurückhalten muss.

Einige Kilometer hinter der Grenze stoßen wir wieder auf die Donau.

Wir wechseln das Donauufer nach wenigen Kilometern auf der südlichen Uferseite. Nun fahren wir einen ewig langen Deich entlang, der aber nicht wie in der Slowakei eintönig und langweilig zu fahren ist. Ganz im Gegenteil, dieser Streckenabschnitt gehört mit zu dem Nationalpark Donauauen und hat diesen Namen auch wirklich verdient. Eine fast unberührte Naturlandschaft säumt die Umgebung des Radweges und wir gleiten nur so dahin auf dem Damm.

Leon begeistert im Nationalpark Donauauen.

Uns begegnen immer wieder andere Leute, die mit dem Rad unterwegs sind. Die meisten von ihnen sind aber nur wenige Tage an der Donau entlang mit dem Rad unterwegs, weswegen wir uns ein Minimum von vier Radtaschen setzen, wo wir versuchen anzuhalten und ein kleines Pläuschen zu halten. Und tatsächlich, nachdem wir erst einen recht ungesprächigen älteren Herrn angehalten haben, der von St. Moritz nach Budapest fährt, treffen wir auf einen deutlich jüngeren Radreisenden der uns entgegen kommt. Wir unterhalten uns lange und erzählen einander begeistert diverse Geschichten. Wir erfahren, das der 23-jährige Leon aus Hannover vor einem Monat mit dem Rad von sich zu Hause alleine gestartet ist und nun auf dem Weg gen Osten ist. Sein Ziel? Sein Traum wäre es bis nach China zu kommen, ob er das schafft, weiß er noch nicht. Mal wieder stellen wir auf unserer Reise fest, dass wir mit unserem festen Zeitrahmen schon sehr ungewöhnliche Radreisende sind, da doch die allermeisten von zu Hause aus losfahren und sich eine Auszeit nehmen. Dabei ist meistens nicht alles bis zum Ende hin genau geplant, wie es bei uns jedoch teils gezwungenermaßen teils aber auch durch Lust und Laune ist. Als wir uns unsere Räder genauer mustern, stellen wir fest, dass wir fast die gleichen Räder von der fahrradmanufaktur haben, sogar beide mit Rohloff-Nabenschaltung! Definitiv die erste Rohloff-Nabe, die wir seit Athen zu Gesicht bekommen (außer unseren eigenen natürlich fast jeden Tag).

2x Leon und Vincent, dafür gibts ein eindeutiges Daumen hoch!

Wir verstehen uns schon nach wenigen Minuten so gut mit Leon, dass wir ihn am Liebsten ein paar Etappen begleiten würden. Doch sein Weg führt leider in die komplett andere Richtung, er fährt dahin von wo wir herkommen und umgekehrt ebenso. Also verabschieden wir uns und sind uns jetzt schon sicher, dass wir uns irgendwann mal wiedertreffen werden. Denn wie es der 73-jährige Amerikaner aus Slowenien so passend beschrieben hat: „It’s a very small peak we’re living on!“.
Kurz darauf fängt es heftig an zu regnen, Fahrradwäsche umsonst. Doch zum Glück ist es nur ein kurzer Schauer und so können wir schon bald wieder die Regenjacken ausziehen.

Mittagspause in einem urtypisch österreichischen Ausflugslokal, die Küche bietet so gut wie kein Gericht ohne Fleisch.

Nach einer kleinen Rast in einem überteuerten Radlertreff direkt an der Strecke, wo wir immer noch ein wenig verwirrt deutsches Radio hören, machen wir uns auf die letzten 30 km nach Wien auf. Der Weg führt uns weiter auf einem Damm entlang, bevor wir dann durch ein gigantisches Öllager fahren. Spätestens jetzt wissen wir, Wien ist nicht mehr weit. Es geht weiter an einem Kanal, der sicher auch als Regattastrecke verwendet wird. Diesen fahren wir bis fast bis in Zentrum von Wien, unser Track endet schließlich auf der Reichsbrücke.

Eine Brücke vor der Reichsbrücke, fahren wir über die Donau auf die Donauinsel.

Hier machen wir einen kurzen Halt um uns zu orientieren, wo unser warmshowers-hosts Heini & Anna wohnen. Er hatte uns schon zuvor gewarnt, dass er ein Stückchen außerhalb wohnt, doch da wir hier drei Nächte verbringen wollen, freuen wir uns umso mehr darauf außerhalb des geschäftigen Zentrums etwas entspannen zu können. Um zu Heini & Anna zu kommen, müssen wir aber vorerst das gesamte Zentrums südlich der Donau durchqueren, da wir aber noch früh dran sind ist es super so schon einen ersten Eindruck von der Stadt zu bekommen. Vincent war vor vielen Jahren schon mal in Wien, kann sich daran aber kaum mehr erinnern und für Leon ist es das erste Mal diese Stadt zu Gesicht zu bekommen.

Der Ringradweg (sehr empfehlenswert, top ausgebaut!) führt direkt an der Staatsoper von Wien vorbei.

Obwohl wir versuchen uns nicht schon zu sehr dem Sightseeing hinzugeben, da wir dafür noch zwei volle Tage haben, klappt es auf dem Weg durch die Innenstadt nur schwer. Wir sind völlig überwältig von diesen unglaublich vielen Prunkbauten, die sich nicht nur, wie aus anderen Städten bekannt im Zentrum befinden, sondern auch bis weit außerhalb. Die ganze Stadt scheint eine wahrhaftige Superlative von dem, was wir bis jetzt kennen. Als wir bei einem Fotogeschäft vorbei fahren, packt Vincent wieder der Eifer und er probiert sein Glück um für eine Actioncam zu verhandeln. Leider verkauft das Geschäft keine Actioncams, jedoch verrät der nette Verkäufer Vincent des einzige Einzelfachgeschäft, welches Actioncams verkauft. Der Zufall will es so, dass unser Weg zu Heini uns direkt bei dem besagten Fotoladen vorbei führt.

Hier gibt es alles was das Fotografenherz begehrt, neue sowie gut gepflegte gebrauchte Kameras.

Und siehe da, bei Foto Sobotka in der Mariahilfer Straße werden wir tatsächlich fündig. Und noch mehr als das, denn Vincent schafft es den Ladeninhaber von unserem Projekt zu begeistern und so bekommen wir eine gebrauchte Actioncam zu einem guten Preis. Doch diesmal kauft Leon sich die Kamera, so dass er der Kameramann Nummer 1 für die letzten zwei Wochen unserer Reise sein wird. Ja ihr habt ganz richtig gelesen, schon in zwei Wochen sind wir in Kassel, so ganz können wir es auch noch nicht begreifen. Jedenfalls ist Wien ein riesiger Schritt unserer Reiese. Wir haben uns schon so lange auf der Reise vorgestellt hier zu sein und nun haben wir es tatsächlich hierher geschafft, ein glückerfülltes Gefühl. Beschwingt von dem erfolgreichen Kamerakauf, der tollen Stadt und er Aussicht hier ein wenig länger bleiben zu können als in den meisten Städten zuvor machen wir uns auf die letzten Kilometer.

Das schöne Haus von Heini und Anna, welches sich gerade in Renovierung befindet. Außen hat es schon eine neue Haut bekommen, nun ist Renovierung drinnen angesagt.

Heini empfängt uns freudig im Garten seines Hauses in österreichischem hochdeutsch (welches sich für uns wie tiefstes österreichisch aus den Bergen anhört)  mit den Worten „noch eine Runde hintenrum zum Wohnwagen“. Da wissen wir, dass wir hier richtig sind und der Wohnwagen erwartet uns schon fast sehnsüchtig. Heini erzählt uns, er würde dort schon für 33 Jahren stehen, jedoch hätte er in den letzten Jahren immer leer gestanden. Was für eine Ehre für uns dieses gut gepflegte Prachtstück wieder zu beleben. Nach einer warmen Dusche lernen wir noch Andreas kennen, der aus Frankfurt kommt und hier ebenfalls gerade Gast bei Heini und seiner Freundin Anna ist. Wir haben einen sehr unterhaltsamen netten Abend miteinander, Heini backt beste Gourmet-Pizza und wir bemühen uns um einen Nachtisch, Milchreis mit selbstgemachten Apfelmus. Anna ist diesen Abend unterwegs, deshalb ist sie leider noch nicht Teil der Runde, wir lernen sie kurz vorm ins Bett gehen dann noch kennen. Müde und absolut überglücklich durch so viel Glück so super coole warmshowers Gastgeber gefunden zu haben, fallen wir in die gemütlichen Betten des Wohnwagens und schlafen wenig später tief und fest.

Unser Reich für die nächsten zwei Tage, ein alter super gemütlicher Wohnwagen.

Aufgrund der hohen Ereignisdichte der letzten Tage haben wir es noch nicht geschafft die beiden Pausentage in Wien miteinzubinden, die folgen dann morgen. Keep connected 😉

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